Zweiflügler

[1036] Zweiflügler (Dipteren, Diptera, hierzu Tafel »Zweiflügler«), eine Ordnung der Insekten, umfaßt Kerbtiere mit saugenden und auch wohl stechenden Mundteilen, unbeweglichem, ringförmigem Prothorax, häutigen, meist nackten Vorder- und zu Schwingkolben verkümmerten Hinterflügeln und vollkommener Verwandlung. Der Kopf ist gewöhnlich an der Brust nach allen Seiten drehbar eingelenkt. Die Ringe der Brust (Thorax) sind meist unter sich und mit dem ersten Hinterleibsring zu einer festen Masse verschmolzen. Der Hinterleib ist sitzend oder gestielt, fünf- bis achtringelig. Die Fühler sind vielgliederig und dann oft dicht gefiedert oder kurz und dreigliederig. Der Saugapparat (Saug- und Schöpfrüssel) wird meist von der Unterlippe gebildet, in der sich die Stechborsten bewegen; die letztern sind entweder die umgebildeten Kiefer oder auch die Oberlippe und der sogen. Hypopharynx, d. h. eine Verlängerung der untern Schlundwand (s. Figur); am Vorderende verbreitert sich der Rüssel bei den Fliegen zu einer eigentümlichen kissenförmigen zweiteiligen Platte, dem sogen. Haustellum, das zum Auftupfen von Flüssigkeiten u. dgl. verwendet wird. Die Vorderflügel sind nackt, gewöhnlich durchsichtig, zuweilen ganz oder teilweise dunkel gefärbt und vorwiegend in der Längsrichtung geädert; doch sind die Längsadern meist durch Queradern miteinander verbunden und bilden auf diese Art sogen. Zellen, die für die Systematik von Wert[1036] sind.

Mundteile einer Mücke (Culex). H Stechborste (Hypopharynx), Lb Unterlippe (Rüssel), Lbr Oberlippe, Lt Lippentaster, Md Oberkiefer (Mandibel), Mx Unterkiefer (Maxilla).
Mundteile einer Mücke (Culex). H Stechborste (Hypopharynx), Lb Unterlippe (Rüssel), Lbr Oberlippe, Lt Lippentaster, Md Oberkiefer (Mandibel), Mx Unterkiefer (Maxilla).

Die Hinterflügel sind verkümmert und bestehen aus einem von dünnem Stiel getragenen Knopf (Schwingkölbchen oder Haltern); sie sind insofern für den Flug von Bedeutung, als nach ihrer Entfernung dem Tiere die Orientierungsfähigkeit verloren geht (Weiteres s. Halteren). Nur selten fehlen beide Flügelpaare völlig in beiden oder auch nur in einem Geschlechte (Melophagus, Braula etc., s. Lausfliegen). Die Beine haben fünfgliederige Tarsen, deren erstes Glied gewöhnlich verlängert ist; neben den Fußklauen finden sich meist 2 oder 3 Afterklauen. Die Augen sind fast durchweg groß; gewöhnlich sind auch drei Ocellen vorhanden. Die Bauchkette des Nervensystems ist fast immer zu einem großen Knoten in der Brust zusammengezogen, selten bis in den Hinterleib verlängert. Am Darmkanal befindet sich an einem besondern Stiel der dünnhäutige sogen. Saugmagen, der als Kropf zu dienen scheint. Es sind fast stets nur vier Nierenschläuche (Malpighische Gefäße) vorhanden. Die Geschlechter sind selten auffällig verschieden, doch haben die Männchen gewöhnlich größere Augen und zuweilen abweichend gebaute Fühler. Dem meist guten Flugvermögen entsprechend, haben die beiden Haupttracheenstämme blasenartige Anschwellungen (zwei besonders große liegen an der Basis des Hinterleibes). – Die Larven sind fußlos, meist weichhäutig und ungefärbt, zuweilen mit mehr derber Haut und dann in der Regel gefärbt. Viele haben einen deutlich als solchen erkennbaren Kopf mit Ocellen; bei andern dagegen läßt sich dieser von den folgenden Körperringen nicht deutlich unterscheiden, wohl aber in sie fernrohrartig einziehen (kopflose Dipterenlarven, Maden). Sie saugen flüssige Substanzen aus dem Pflanzen- und Tierreich und befestigen sich oft mit zwei hornigen Mundhaken an den Körpern, aus denen sie ihre Nahrung ziehen. Bei der Verpuppung wird entweder (wie bei den Schmetterlingen) die Körperhaut abgestreift oder diese erhärtet, schrumpft zusammen und hüllt als sogen. Tönnchen das werdende Insekt bis zum Ausschlüpfen ein. Die freien Puppen haben oft am Kopf und Thorax scharfe, hakenartige Fortsätze und, wenn sie im Wasser leben, blatt- oder haarförmige Tracheenkiemen.

Die Mehrzahl der Z. ist nützlich: neben Arten, die als Larven schädliche Insekten vernichten, existieren zahlreiche andre, die faulende Substanzen beiseite schaffen. Die oft enorme Individuenzahl, in der viele Arten auftreten, bietet hierbei einen wichtigen Ersatz für die meist nur geringe Größe der Tiere. Anderseits sind nicht wenige Z. unter allen Zonen für Menschen und Vieh die lästigsten Insekten. Die Zahl der Arten scheint derjenigen der Hautflügler beträchtlich nachzustehen. Manche bringen beim Fliegen durch Schwingungen des Körpers und der Flügel oder auch durch besondere Stimmapparate summende Töne hervor (Brummfliegen). Man teilt die Z. in drei größere Gruppen ein: 1) Mücken oder Langhörner (Nematocera, Nemocera, Tipulariae, zu denen auch die Gallmücken gehören, Tafel, Fig. 8,12–14), mit langen, vielgliederigen Fühlern. 2) Fliegen oder Kurzhörner (Brachycera), mit kurzen, meist dreigliederigen Fühlern, meist mit Flügeln. Hierher die Lausfliegen (Pupipara), die völlig ausgebildete Larven gebären, Fig. 5 u. 6, ferner die Fliegen (Muscidae, mit den Bremen, Grünauge und Tsetsefliege, Fig. 1–3, 7 u. 10), Waffenfliegen (Stratiomyidae, Fig. 11), Schwebfliegen (Syrphidae, Fig. 4), Bremsen (Tabanidae, Fig. 9) u. a. 3) Flöhe oder Flügellose (Aphaniptera, Syphonoptera, Pulicidae, Fig. 15 u. 16); werden jetzt gewöhnlich unter dem Namen Siphonoptera als eine eigne Ordnung hingestellt, da sie viele abweichende Merkmale zeigen. Vgl. Fabricius, Systema Antliatorum (Braunschw. 1805); Meigen, Systematische Beschreibung der bekannten europäischen zweiflügeligen Insekten (Hamm 1818–38, 7 Tle.); Wiede mann, Außereuropäische zweiflügelige Insekten (das. 1818–20, 2 Tle.); Macquart, Histoire naturelle des insectes dipteres (Par. 1834–35, 2 Bde.) und Diptères exotiques nouveaux ou peu connus (das. 1838–48, 4 Bde. und 2 Supplemente); Schiner, Fauna austriaca. Fliegen (Wien 1860–64); Löw, Beschreibung der europäischen Dipteren (Halle 1869 bis 1873, 3 Bde.); Weismann, Die Entwickelung der Dipteren (Leipz. 1864); Grünberg, Die blutsaugenden Dipteren (Jena 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 1036-1037.
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