Amharische Sprache

[415] Amharische Sprache, die jetzige Sprache in Habesch, benannt nach dem Königreich Amhara, wo sie, wie auch in den Nachbarreichen Schoa, Hangota u. Isata, mit einigen dialektischen Abweichungen, im Gebrauche ist. Weil sie die, in den Umgebungen des Hofes allein übliche ist, heißt sie auch Lesanaue. gus (königliche Sprache). An die Stelle des Äthiopischen trat das A., als nach dem Aussterben der in Tigre herrschenden Sagäischen Dynastie, die Könige von Schoa, die dieser Sprache sich bedienten, die Herrschaft erhielten. Das A. ist ein semitischer, dem Äthiopischen verwandter Dialekt, der viele äthiopische Wörter mit ihren eigenthümlichen Formen aufgenommen hat, aber durch manche besondere Bildungen sich als Vulgärsprache zu erkennen gibt. Die A. S. besitzt in derselben. Anordnung die syllabarische Schrift des Äthiopischen mit einer Vermehrung von 7 Charakteren, welche die Laute sch, tj, die Nasallaute n, ch, das weiche sch, dj, tsch ausdrücken. Vocale u. Diphthongen sind nach Zahl u. Aussprache dieselben, wie im Äthiopischen; ebenso gelten hier die dort herrschenden Lautgesetze. Die Nominalbildung unterscheidet sich wenig von der Äthioptschen. Eine Geschlechtsbezeichnung fehlt. Die Declination geschieht mittelst gewisser Partikeln, nur im Accusativ zeigt[415] sich auffallend die arabische Nunnation (s. u. Arabische Sprache). Das Verbum erscheint in 4 Modificationen, als Activ (Neutrum), doppeltes Factitiv u. Passiv; Präteritum, Präsens u. Futurum unterscheiden sich streng durch formelle Bildung. Außer dem Conjunctiv des Präsens, Imperativ u. Infinitiv gibt es noch eine eigenthümliche Art von Participium. Zahlen u. Fürwörter sind in Gestalt u. Gebrauch völlig semitisch. Dasselbe gilt fast durchgängig von den Partikeln. Im Satze wird der Nominativ den übrigen Casus nachgesetzt, so wie auch einige Conjunctionen am Ende der Sätze stehen. Das A. ist bis jetzt ohne alle Literatur, bekannt ist nur Ghbragzers Catechesis christ. lingual amharical, Rom 1787; Grammatik u. Wörterbuch von H. Ludolf, Frkf. 1698.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 415-416.
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