Hebräische Sprache und Literatur

[351] Hebräische Sprache und Literatur Die hebr. Sprache wird zu den sogenannten semitischen Sprachen gerechnet, einer Classe von Sprachen, welche zunächst diejenigen Völker geredet haben, deren Ursprung man nach alter Überlieferung von Sem, dem Sohne Noah's, ableitete. Unter diesen verwandten Sprachen zeichnet sich die hebr. durch Wohllaut, Kraft, Reichthum und Ausbildung aus. Ihre größte Wichtigkeit erhält dieselbe durch die in ihr geschriebenen Bücher [351] des A. T., welche sich, auch abgesehen von der religiösen Wichtigkeit, welche dieselben für Juden und Christen bis auf diesen Tag behalten haben, durch poetische Schönheit auf das vortheilhafteste auszeichnen. Vergleicht man die hebr. Sprache mit den uns bekanntesten, der griech., lat. und den neuern, Sprachen, so fallen eine Menge wesentlicher Unterschiede auf, von denen wir nur einige der zunächst sich darbietenden berühren wollen. Eigenthümlich ist zunächst die Form der Buchstaben und die Schreibart. Man nennt die hebr. Schrift eine Quadratschrift, weil sich die Buchstaben sämmtlich der Quadratform annähern und sich durch Eckigkeit auszeichnen. Das Hebräische wird ferner noch jetzt von der rechten Hand nach der linken zu geschrieben, sodaß ein nach moderner Weise gebundenes hebr. Buch anfängt, wo gewöhnlich die Bücher enden. Die hebr. Schrift hat ferner nur Consonanten, keine Vocale, und obgleich diese von jeher mitgesprochen worden sind, so hat man sie doch erst in spätern Zeiten geschrieben, indem man sie nach Art von Accenten unter oder über die Consonanten setzte. Die hebr. Sprache kennt nur drei Redetheile: Zeitwörter, Substantiven und Partikeln, von denen die Zeitwörter die Stammwörter der übrigen sind, und zwar besteht jedes Zeitwort nur aus drei Buchstaben (Consonanten). Die höchste Ausbildung erreichte die Sprache zur Zeit der Könige David und Salomo und bis zur Zeit der Gefangenschaft blieb sie lebende Volkssprache. Nach der Rückkehr aus dem Exil hatten die Sprachen der Völker, unter denen die Hebräer gelebt, mit der alten Landessprache sich vermischt, und wenn die althebr. Sprache noch längere Zeit als Schriftsprache der Gebildeten sich erhielt, so war dieses nur eine Folge des Umstandes, daß die mit religiöser Ehrfurcht betrachteten ältern Schriften, welche man sammelte und ordnete, in ihr geschrieben und beim Gottesdienste gebraucht wurden.

Die in der Bibel enthaltenen althebr. Schriftwerke sind, wie aus neuern gelehrten Forschungen mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit sich ergeben hat, in ihrer gegenwärtigen Form erst zur Zeit David's und nach derselben abgefaßt worden; doch geht aus ihrer Beschaffenheit zugleich auf das bestimmteste hervor, daß die Verfasser derselben ältere Quellen, theils schriftliche (kürzere), theils mündliche Überlieferungen benutzten, und ältere Urkunden auch wol ganz in sich aufnahmen. Es ist gewiß, daß schon zu Moses' Zeiten die Schreibkunst den Hebräern bekannt gewesen sein muß, aber man bediente sich derselben wol nur, um in Stein, Holz oder Metall gewisse besonders wichtige Nachrichten einzugraben. Die gewöhnlichen Überschriften der Bücher im A. T.: fünf Bücher Mose, Buch Josua, Buch der Richter, Buch Ruth, zwei Bücher Samuelis u.s.w. zeigen den Hauptgegenstand der Darstellung, nicht den Verfasser an. Die jüngsten althebr. Bücher sind ungefähr 900 Jahre nach den ältesten abgefaßt worden, zur Zeit der Makkabäer. In allen spricht sich eine hohe Begeisterung für die wahre Religion, Stolz auf die Ehre, das auserwählte Volk Gottes zu sein, und Liebe zum Vaterlande aus. Wie aber die Schicksale des hebr. Volks wechselten, so gestaltete sich auch der Charakter in den Schriftwerken desselben verschieden. Das hohe Bewußtsein von Größe und Macht weicht zunächst, als im Volk und auf dem Thron Verderbniß der Sitten und der Religion einbrach, dem Bangen und der Warnung vor nahem Fall, und nachdem dieser erfolgt, spricht sich Schmerz und Ermahnung zum Festhalten am Glauben aus, von welchem, sowie von dem erwarteten Messias (s.d.) allein die Rettung abhängig gemacht wird. (Vergl. Bibel.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 351-352.
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