Jüdische Literatur

[907] Jüdische Literatur, die meist in hebr. (neuhebr., rabbinischer) Sprache verfaßte Literatur, deren Anfänge bis in die Zeit der Entwicklung des Judentums aus dem Hebraismus zurückreichen. Sie begann mit der Sammlung und Erläuterung derjenigen Gesetze, in denen das nachexilische Judentum den eigentlichen Kern der jüd. Religion fand. An sie schlossen sich die Erläuterungen der Tannaim (Mischnalehrer) genannten Thoraerklärer, unter denen Hillel und sein Gegner Schammai, des erstern Schüler Jossanan ben Sakkai und bes. Rabbi Akiba hervorragten. Die Gesetzesnovellen, die von ihnen herrühren, führten den Namen Halachot (s. Halacha). Neben ihnen her gingen die Haggadot (s. Haggada). Seit dem letzten Jahrh. v. Chr. war das Interesse teils auf die Übersetzung des A. T. ins Aramäische (sog. Targume), teils auf die Übersetzung des A. T. ins Griechische gerichtet. In Alexandria blühte daneben auch eine jüd.-griech. Literatur, die in Josephus und Philo ihre Hauptvertreter hatte. Die endgültige Redaktion der Halacha erfolgte um 219 n. Chr. durch Juda Hannasi zu Sepphoris in der sog. Mischna; durch die Verbindung derselben mit neuen Auslegungen (Gemaren) entstanden (in aramäischer Sprache) die Talmude. Daneben halachische Kommentare (Midraschim) zu einzelnen bibl. Büchern. Im 6. bis 8. Jahrh. entstand zu Tiberias und in den babylon. Schulen die sog. Masora (s.d.). Im 10. Jahrh. beginnt unter den von der arab. Kultur gehobenen Juden Afrikas und Spaniens die wissenschaftliche Exegese und Grammatik; daneben blühte bes. auch die Auslegung des Talmud, die Philosophie und Poesie. Diese jüd. Wissenschaft verbreitete sich seit dem 11. Jahrh. auch nach Frankreich und Italien; die glänzendsten Namen sind Juda ha-Levi, Jehuda Chajjug, Abulwalid Merwan, R. Isaaki, Salomo ben Gabirol, Abraham ibn Esra, Ibn Esra, Moses und David Kimchi, Moses Maimonides, Abravanel, Jehuda Alcharizi, Mose ben Nachman, Elias Levita (gest. 1549). In der Folge trat immer mehr der Hang zu Spitzfindigkeiten und zur Mystik (der sog. Kabbala oder Geheimlehre) hervor, die noch jetzt bes. in der Sekte der Chasidim (s.d.) gepflegt wird. – Vgl. Zung (1865), Steinschneider (1850 u. 1902), Winter und Wünsche (3 Bde., 1891-96).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 907.
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