Arabische Literatur

[87] Arabische Literatur. Aus vormohammed. Zeit sind uns als Zeugnisse des arab. Geistes nur die Reste der altarab. Poesie erhalten, wie sie vom 8. Jahrh. an von den arab. Philologen gesammelt wurden, in den »Mo' allakât« (s.d.), in den »Diwanen der sechs Dichter« (hg. von Ahlwardt, 1870), in den »Mufaddalijât«. Viel altarab. Poesie ist auch in der Hamâsa (übersetzt von Rückert, 1846) und in den Aghânî gesammelt.

Die eigentliche Literatur beginnt mit dem Koran. Erst mit dem Islam und den Berührungen, in welche die Araber durch die Eroberungskriege mit alten Kulturvölkern traten, entstehen die Keime, aus denen sich die A. L. entwickelt. Der Einfluß pers. und griech. Bildung wirkt befruchtend auf alle Gebiete des geistigen Lebens. Die philos. Schriften des Aristoteles und seiner Erklärer, der mediz. Werke des Galen und Hippokrates, die mathem. von Euklid, die astron. und geogr. des Claudius Ptolemäus werden ins Arabische übersetzt. Der Verfall der zentralen Kalifenmacht ist dem Aufblühen der wissenschaftlichen Bestrebungen nicht ungünstig, insofern in den neuen Residenzen der Teilfürsten neue Mittelpunkte des geistigen Lebens erstehen. Auch das span. Kalifat in Córdoba (9. bis 11. Jahrh.) sowie die auf den Trümmern desselben erstandenen mohammed. Fürstentümer eifern dem Beispiel des östl. Reichs nach. Hervorragend sind die Leistungen des Kindi (gest. um 850), Alfarabi (gest. 950), Avicenna (gest. 1037), Averroes (gest. 1198) in der Philosophie; des Alfergani (830), Albatani (929) und des großen Alberuni (ca. 1000) in der Astronomie; des Alhasen (Ibn al-Heitham, 1038) in der Optik; des Chowarizmi (820) in Mathematik u.a. Die Methode des Ptolemäus herrscht in der großen geogr. Literatur der Araber, deren Klassiker in de Goejes »Bibliotheca geographorum arabicorum« (bis jetzt 8 Bde.) gesammelt sind, und deren Ertrag die große Kompilation in Jâkuts »Geogr. Wörterbuch« (12. Jahrh.) vergegenwärtigt. Auf pers. Antrieb ist die rasch erblühende histor. Literatur zurückzuführen, die in den Werken des Maß'udi (957), Ja'kubi (schrieb um 880), Ibn Kuteiba (gest. 889), bes. aber in dem großen Annalenwerke des Tabari (gest. 923) ihre Vollendung findet. Auf ihren Schultern stehen die spätern Historiker Ibn al-Athir (1232) und Abulfeda (1331). Das Ideal der Geschichtsphilosophie und Kulturgeschichte hat Ibn Chaldun (1405) aufgestellt.

Neben diesen literar. Bestrebungen nimmt die philol. Literatur einen breiten Raum ein. Man sammelt und interpretiert die Reste der alten Poesie, faßt dieselben in Diwane zusammen. Gleichzeitig erblüht die grammat. Forschung. Die Poesie bewegt sich zumeist in Nachahmung der alten Muster. Einzelne originelle Dichter, wie Abu Nuwas, Mutanabbi, reizen nun wie der zu weitern Nachahmungen. Die Form der Makame wird durch Hariri zur Vollkommenheit gebracht. Daneben bilden sich vom 11. Jahrh. (von der Pyrenäischen Halbinsel aus) volkstümlichere Formen aus (Strophenpoesie).

Die Vorherrschaft der religiösen Interessen hat eine überaus reichhaltige Entwicklung der theol. Literatur zur Folge gehabt. Der Koran bildet den Gegenstand vielseitiger Behandlung, deren Früchte in einer riesigen exegetischen Literatur zusammengefaßt sind (Tefsir). Dem reiht sich das Studium der religiösen Tradition (Hadith) und der Gesetzlehre (Fikh) an, welches auch für das praktische Rechtsleben von großer Wichtigkeit ist. Neben diesen gelehrten Literaturzweigen ist auch die populäre Erzählungsliteratur emporgekommen. Ihre Anfänge sind im 8. Jahrh. unter pers. Einfluß entstanden und durch neuere Ansätze immer mehr entwickelt worden (»Tausend und eine Nacht«). Daran reihen sich viele Heldenromane (Antar, Seif etc.), welche ursprünglich von Märchenerzählern mündlich vorgetragen, später in bändereiche Schriftwerke niedergelegt wurden. Seit einem Jahrhundert hat der Einfluß der europ. Literatur neue Richtungen hervorgebracht; eine Menge Übersetzungen und Nachbildungen belehrender und unterhaltender Bücher, eine reiche Zeitungsliteratur etc. Die alte mohammed. Wissenschaft findet [87] daneben in den Moscheeakademien ihre Zuflucht. – Vgl. C. Brockelmann (1899 – 1902).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 87-88.
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