Bulgarische Sprache und Literatur

[590] Bulgarische Sprache und Literatur, Die bulgarische Sprache gehört zur Südostgruppe der slawischen Sprachen. Ihr Gebiet wird im Norden von der Donau, im Westen von Serbien und Albanien, im Süden und Südosten von dem Sprachgebiete der Griechen begrenzt. Die südwestlichsten und südlichsten Punkte des kompakten Sprachgebiets sind der See von Ochrida, Kastoria, Saloniki und etwa Adrianopel, während im Osten, bis an das Schwarze Meer hin, die bulgarische Bevölkerung mit türkischer gemischt ist. Außerdem gibt es starke bulgarische Ansiedelungen in Rußland: im Süden von Bessarabien und nordwestlich vom Asowschen Meer. Im ganzen wird die bulgarische Sprache von etwa 5 Mill. Menschen gesprochen; von denen ungefähr die Hälfte auf das Fürstentum Bulgarien und Ostrumelien kommt. Als älteste Phase der bulgarischen Sprache (Altbulgarisch) wird jetzt gemeiniglich das Kirchenslawische (s.d.) angesehen. Das Bulgarische vom 12. Jahrh. an heißt das Mittelbulgarische, aus dem die moderne Sprache (Neubulgarisch) hervorging, wenngleich dieselbe der alten Sprache sehr unähnlich geworden ist, indem sie fast alle Deklinationsendungen, die Steigerungsform der Adjektiva und am Verbum den Dual, den Infinitiv und andre Formen verloren, anderseits sehr viel Fremdes aus den Nachbarsprachen aufgenommen hat. So teilt die jetzige bulgarische Sprache mit dem Walach ischen und Albanesischen die Anhängung des Artikels an die Substantiva, und ihr Wortschatz ist voll von türkischen, albanesischen, griechischen und rumänischen Eindringlingen. Die beste neubulgarische Grammatik ist bis jetzt die von A. und D. Kyriak Cankof (Wien 1852); ferner erwähnen wir die von Morse (engl., Konstant. 1859), die von Wagner (tschech., 2. Aufl., Prag 1884), die von Chleborad (Wien 1888) und die von Strauß und Dugovich (Leipz. 1895). Lexika lieferten Bogoroff (bulgarisch-französisch und französisch-bulgarisch, Wien 1869, 2 Bde., sehr mangelhaft), Duvernois (russisch-bulgarisch, Moskau 1885–89, 2 Bde.) und Miladinow (Bd. 1: deutsch-bulgarisch, Sofia 1897; Bd. 2: bulgarisch-deutsch [erste Hälfte], das. 1901), eine Chrestomathie Vazov und Veličkov (Philippopel 1884, 2 Bde., für Schulen). Die bulgarische Schrift ist cyrillisch, bis ins 12. Jahrh. auch glagolitisch (s. die Art. »Cyrillica« und »Glagolica«).

Die neuere bulgarische Literatur ist sehr jungen Datums. Das erste in bulgarischer Sprache gedruckte Buch, ein religiöses Erbauungsbuch, wurde 1806 von Sophronius, Bischof von Wratscha, herausgegeben. Um die Wiedererweckung der bulgarischen Literatur[590] machten sich besonders verdient: Wenelin (1802–1839, s.d.), Aprilow, Neofit von Ryl u. a. Die ersten literarischen Erzeugnisse bis in die 1840er Jahre hinein tragen vorzugsweise pädagogischen Charakter. Um 1840 beläuft sich die Zahl der bulgarischen Bücher erst auf etwa 30, beim Ausbruch des russisch-türkischen Krieges umfaßt die neubulgarische Literatur bereits mehr als 800 Bücher und 51 periodische Publikationen. Die erste Zeitschrift (»Ljuboslovie«) erschien 1844. An selbständigen Werken ist jetzt kein Mangel mehr, doch sind sie meistenteils ohne originalen Wert. Erwähnenswert sind die historischen Arbeiten von Drinow, die Dichtungen von Slawejkow, die Novellen von Karawelow und die Memoiren einiger politischer Häupter, z. B. des Revolutionärs Panajot Chitow (übersetzt von G. Rosen u. d. T.: »Die Balkanhajduken«, Leipz. 1878). Dagegen besitzen die Bulgaren einen reichen Schatz von Volksliedern und Märchen, ähnlich den serbischen. Zu nennen sind die Volksliedersammlungen von BessonowBolgarskija pěsni«, Mosk. 1855), D. und K.Miladinow (»Bugarski narodni pěsni«, 2. Aufl., Sofia 1891), Verković (»Narodne pesme makedonski Bugara«, Belgrad 1860, Bd. 1), Dozon (»Chansons populaires bulgares«, mit französischer Übersetzung, Par. 1875), Kačanowskij (»Pamjatniki bolgarskago narodnago tvorćestva«, Petersb. 1882, Heft 1), Jastrebow (»Obyčai i pěsni tureckich Serbov«, 2. Ausg., das. 1889), Iliew (»Sbornik ot narodni umotvorenija etc.«, 1. Teil, 1. Buch, Sofia 1889), Šapkarew »Sbornik ot blgarski narodni umotvorenija«, das. 1891, Teil 1\3; die von Verković als »Le Véda slave« (1. Bd., Belgrad 1874; 2. Bd., Petersb. 1881) herausgegebenen Lieder sind unecht; ferner die Märchensammlungen von Čolakow (»Blgarski narodni sbornik«, Belgr. 1872) und Šapkarew (»Blgarski narodni prikaski i vĕrovanija«, Philippopel 1885). Vgl. Syrku, Ein bibliographischer Beitrag zur bulgarischen Märchenliteratur, im »Archiv für slawische Philologie«, Bd. 6; hinsichtlich der Volksliteratur vgl. ferner »Periodičesko Spisanie« (Braila 1870ff.; 2. Folge, Sofia 1882ff.) und den »Sbornik za narodni umotvorenija, nauka i knižina« (das. 1889–1891, 6 Bde.). Eine Übersetzung bulgarischer Volkslieder ins Deutsche lieferte G. Rosen (»Bulgarische Volksdichtungen«, Leipz. 1879). Vgl. die »Bibliographie de la littérature bulgare moderne« von K. I. Jireček (Wien 1876) und die Bibliographie von A. Theodorow (Sofia 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 590-591.
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