Heliotrop [2]

[217] Heliotrop (v. gr., Lichtwender, Sonnenspiegel), dient bei großen Vermessungen als Signal, indem man in Spiegeln Sonnenlicht an einem Orte auffängt u. von da nach einem anderen entfernten Beobachtungsorte hinstrahlen läßt. Die Einrichtung des H-s gründet sich auf das Gesetz über die Zurückwerfung des Lichtes. Das H. von Gauß besteht aus einem dreifüßigen Gestell, welches ein astronomisches Fernrohr trägt, das nach allen Seiten hin gewendet u. um seine mechanische Achse so gedreht werden kann, daß die Spiegelachse, d.h. die Durchschnittslinie von zwei am Fernrohre angebrachten, winkelrecht sich kreuzenden Spiegeln, stets senkrecht gegen die Richtung der auf die Spiegel fallenden Sonnenstrahlen gestellt werden kann. Das Fernrohr führt ein Fadenkreuz u. vor dem Ocular ein gefärbtes Glas zum Schutz für die Augen. Das Spiegelwerk wird an der Fassung des Objectivglases festgeschraubt; es besteht aus einer Messinggabel, in welcher sich der in der Richtung der Spiegelachse bewegliche Spiegelrahmen befindet, d.h. die Bewegung geschieht winkelrecht zur Achse des Fernrohrs u. parallel zu den Spiegelebenen. Der größere der beiden Spiegel hat den Zweck, dem entfernten Beobachter das Sonnenlicht zuzuführen; er besteht aus zwei getrennten Stücken, zwischen welchen der kleine Spiegel winkelrecht gekreuzt zum größeren nach dem Fernrohr gerichtet ist; beide Spiegel müssen vollkommen eben u. parallel sein. Auf der Spiegelachse steht endlich eine dünne Messingscheibe senkrecht, um durch deren Schatten die Richtung zu bestimmen, in welcher das Sonnenlicht lothrecht einfällt. Bei dem Gebrauche schlägt man zunächst das Spiegelwerk vor dem Fernrohr zurück, damit man durch dasselbe den entfernten Ort anvisiren kann, dann richtet man die Spiegel so, daß die Strahlen der Sonne vom kleinen Spiegel auf das Fadenkreuz geworfen werden, dann erblickt der Beobachter an dem anvisirten Orte das H. als einen hellen Stern, indem die in den größeren Spiegel einfallenden Strahlen von diesem nach dem Orte des Beobachters zurückgeworfen werden. Das H. von Steinheil hat nur einen Spiegel von etwa 11/2 Zoll Länge u. 1 Zoll Breite; er ist in Messing gefaßt, doch so, daß auf der Rückseite in der Mitte ein kleiner Kreis von 1,3 Linien Durchmesser vom Spiegelbelege frei bleibt. Die durch diesen Kreis hindurchgehenden Sonnenstrahlen werden von einer ihnen senkrecht entgegengestellten Linse aufgefangen, gehen durch dieselbe hindurch u. vereinigen sich im Brennpunkte der Linse. In diesem ist eine weiße Fläche, etwa von Kreide, angebracht, von welcher das empfangene Licht theilweise wieder auf die Linse zurückgeworfen wird. Diese gibt aber dieses Licht, weil es vom Brennpunkte kommt, nach der unbelegten Stelle des Spiegels weiter, u. es bildet sich davon genau in entgegengesetzter Richtung von der, in welcher der Spiegel die Sonnenstrahlen zurückwirft, ein mattes Bild der Sonne, ganz von dem Aussehen des Vollmondes. Dieses Sonnenbild läßt die Gegenstände, welche in seiner Richtung liegen, deutlich durchscheinen, man kann es ganz gut mit bloßem Auge ansehen, u. es wird nun benutzt zur richtigen Stellung des Spiegels, indem man von der Gegend her, in welcher das matte Sonnenlicht zu liegen scheint, das H. als hellglänzenden Stern funkeln steht. Einige Stunden vor u. nach Mittag erscheint das Heliotropenlicht sehr groß, aber blaß u. verwaschen mit stark hüpfender Bewegung. Zuweilen verschwindet sogar alles Licht in Folge der ungleichen Bewegungen der Luft. Nach u. nach nimmt die Helligkeit an Stärke zu, dagegen die Ausdehnung immer mehr ab, bis die Gestalt einer Scheibe sich bildet. Die hüpfende Bewegung geht in eine zitternde über u. wird gegen 4 od. 5 Uhr Abends sehr gering. Näher an den Abend hin wird die Lichtscheibe immer kleiner u. ruhiger, u. einige Stunden vor Sonnenuntergang erscheint es als kleiner unbeweglicher Punkt, welcher erst mit Untergang der Sonne verschwindet. Ähnlich, nur in umgekehrter Ordnung, ist es am Vormittag, u. nur selten u. kurze Zeit bildet sich ein kleiner ruhiger Lichtpunkt. Gauß gibt für die Wirkung des H-s an: auf die Entfernung vom Lichtenberge nach dem Berge Hill, = 39,952 Meter od. 5,4 deutsche Meilen, sah man das H. immer mit bloßem Auge. Unter bes. günstigen Umständen sah man es zwischen dem Brocken. u. dem Hohenhagen auf eine Entfernung von 69,194 Meter od. 9,3 deutsche Meilen noch mit bloßem Auge. Mit dem Fernrohr konnte man es zwischen dem Brocken u. dem Inselsberge, = 105,986 Meter[217] od. 14,2 deutsche Meilen, namentlich gegen Abend noch sehr scharf anvisiren.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 217-218.
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