Königinhof

[683] Königinhof (sonst Marktfleckenhof), 1) Bezirk des Kreises Gitschin (Böhmen); 7 QM., 54,000 Ew.; 2) Stadt an der Elbe, Dechantkirche, Schloß, Baumwollen- u. Kattunfabrik, Wollen- u. Leinweberei; 4700 Ew. In einer Kammer an der dasigen Kirche entdeckte W. Hanka im Septbr. 1817 unter Schutt u. alten Papieren die Königinhofer Handschrift (Eralodworsky rukopis), welche seitdem mehrmals (zuerst Prag 1819) herausgegeben wurde. Nach Dobrowsky wurde die Sammlung in[683] den Jahren 1290–1310 aufgezeichnet. Einzelne der Gesänge, wie Cestmirs Sieg über Wlaslaw unter Neklan, im Jahr 830, u. Zaboj, Slawoj u. Ludiek mögen noch in die Zeit des Heidenthums hinausreichen; andere, wie Benes Hermanow, von der Vertreibung der Sachsen aus Böhmen; Ulrich u. Boleslaw, von der Vertreibung der Polen aus Prag (1003); Jaroslaws Sieg über die Tataren bei Olmütz, im Jahr 1241; das Minnelied Wenceslaus I.; das Turnier am Hofe eines Fürsten, mögen bald nach den Begebenheiten gedichtet sein, welche in ihnen geschildert werden. Die Königinhofer Handschrift galt für den größten Schatz der älteren czechischen Nationalliteratur, bis 1858 von verschiedenen Seiten Zweifel gegen die Echtheit der Handschrift im Allgemeinen, wie gegen einzelne Gesänge insbesondere (u. And. von Budinger, Wien 1859) erhoben wurden, welche einen sehr lebhaften literarischen Streit hervorgerufen haben, welcher Ende 1859 noch nicht zur Entscheidung gediehen war.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 683-684.
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