Kirchenvisitation

[532] Kirchenvisitation, eine von der obern kirchlichen Behörde veranstaltete Untersuchung über den inneren u. äußeren Zustand der Gemeinden. Die K-en betreffen Gegenstände der kirchlichen Disciplin, Beobachtung der Kirchengebräuche, Verhütung grober Verbrechen der Geistlichen, Prüfung der Kenntnisse derselben etc. Sie kommen schon im 6. u. 7. Jahrh. vor u. gehörten zu den Hauptfunctionen der Bischöfe, wurden aber bald für die Gemeinden durch die Kosten drückend. Die Bischöfe überließen diese Visitationen ihren Archidiakonen als Vicarien. In der Reformation empfahl Luther zur Untersuchung u. Ordnung des Kirchenwesens in Sachsen dem Kurfürst Johann eine K., wozu Philipp Melanchthon eine eigene Schrift, Visitationsbüchlein genannt, verfaßte. Sie begann 1527 u. wurde 1529 beendet. Luther selbst, einige weltliche Deputirte u. mehrere Theologen, Justus Jonas, Johann Bugenhagen, Spalatin u.a. waren dabei thätig. Unter Herzog Friedrich Wilhelm I. von [532] Sachsen wurden zum Schutz des strengen Lutherthums Visitationsartikel aufgestellt. Nun wurden die K-n auch auf den Schulunterricht ausgedehnt u. später den Superintendenten übertragen, unterblieben aber auch allmälig. Bei den Reformirten fanden sie jährlich einmal statt, arteten aber auch hier bald in ein leeres Ceremoniel aus. In neuerer Zeit hat man in Preußen u. Sachsen die K-en wieder aufgenommen u. dieselben den Ephoren unter Mitwirkung assistirender Geistlichen übertragen. Auch unterscheidet man in einigen Ländern Generalvisitationen, welche ein Mitglied der obersten Kirchenbehörde, u. Specialvisitationen, welche der Ephorus des Sprengels hält. Vgl. Liebner, Über K., 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 532-533.
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