Lebensversicherungsvertrag

[192] Lebensversicherungsvertrag, der zweiseitige Vertrag, bei welchem der eine Contrahent, meist eine zu diesem Zwecke zusammengetretene größere Association (Lebensversicherungsgesellschaft). dem anderen Contrahenten, welcher sein od. eines Dritten Leben versichert, gegen den Empfang einer festbestimmten Vergeltung (Prämie) den Schaden zu ersetzen verspricht, der durch das Aufhören des versicherten Lebens ihm selbst od. einem Andern erwachsen kann. Meist wird dabei dieser Schaden selbst ebenfalls im Voraus in bestimmter Weise quantificirt, sei es in einer einmal zu zahlenden Summe od. in gewissen den Hinterbliebenen auf eine bestimmte Zeit zu zahlenden jährlichen Renten. Der L. kann gemeinrechtlich auch mündlich abgeschlossen werden, doch ist die schriftliche Errichtung so üblich, daß sogar die meisten Lebensversicherungsgesellschaften die Versicherung erst dann gelten lassen, wenn die betreffende Urkunde ausgefertigt ist. Diese wird gewöhnlich nach bestimmten Formularen abgefaßt u. heißt in dieser Form die Police (italien. Polizza. franz. Police). Die Modalitäten des Vertrags selbst sind namentlich in neuerer Zeit durch möglichstes Anpassen an die verschiedenen Fälle, in denen ein L. von Nutzen sein kann, sehr verschiedenartig ausgebildet[192] worden. Die gewöhnlichste u. einfachste Art des L-s ist die, daß der Versicherer gegen einen gewissen, von dem Versicherten jährlich, so lange er lebt, zu bezahlenden Betrag die Verpflichtung übernimmt, beim Tode des Versicherten, eine gewisse Summe an die Erben zu bezahlen. Die Prämie kann aber auch so bemessen sein, daß sie auf einmal od. nur eine kürzere Reihe von Jahren, z.B. 5, 10, 15,20 Jahre hindurch, zu zahlen ist. Eine andere Art des L-s ist, daß die Versicherung nur auf den Fall abgeschlossen wird, wenn der Tod binnen einer bestimmten Zeit, vielleicht nur während einer unternommenen Reise, erfolgen sollte; od. es wird in der Weise versichert, daß das versicherte Capital entweder bei Vollendung eines gewissen Lebensjahres od., falls der Versicherte früher sterben sollte, beim Tode zahlbar wird (abgekürzter L.); od. es wird eine sogenannte Überlebungsversicherung abgeschlossen, bei welcher das Capital nur dann zur Auszahlung kommt, wenn beim Tode des Versicherten eine andere Person, z.B. seine Wittwe od. sein Kind, noch am Leben ist. Die richtige Berechnung der Prämien setzt eine genaue Berücksichtigung der Lebensprobabilität (s.u. Lebensdauer) voraus. Bei der gewöhnlichen Versicherung auf Lebenszeit wird bei einem Alter des Versicherten von 10 Jahren meist 11/3 Thlr. als jährliche bis zum Tode zu zahlende Prämie od. die einmalige Zahlung von 262/3 Thlrn., bei einem Alter von 15 Jahren eine jährliche Prämie von 12/5 Thlr. od. 282/3Thlrn. auf einmal, bei 25 Jahren jährlich 1 Thlr. 23–24 Sgr. od. auf einmal 34 Thlr., bei 30 Jahren 2 Thlr. 1–2 Sgr. jährlich od. 37 Thlr. 10 Sgr., bei 40 Jahren 25/6 Thlr. jährlich od. 451/2 Thlr. auf einmal, bei 50 Jahren 4 Thlr. 6–7 Sgr. jährlich od. 56–57 Thlr. auf einmal, bei 60 Jahren 62/3 Thlr. jährlich od. 68–69 Thlr. auf einmal gerechnet. Personen, welche bereits über 60 Jahre alt sind, werden bei soliden Lebensversicherungsanstalten nicht leicht zur Versicherung ihres Lebens zugelassen. Neben der schon deshalb nothwendigen genauen Angabe des Alters wird außerdem regelmäßig eine umständliche Declaration über die Lebensbeschäftigung, Lebensweise u. die bisherige Gesundheitsbeschaffenheit der versicherten Person verlangt. Der sein Leben Versichernde muß zu diesem Zwecke gewöhnlich ein Zeugniß seines bisherigen Hausarztes beibringen, dessen Angaben dann von einem von der Anstalt eigends dazu angestellten Arzte nochmals revidirt werden. Unwahre Angaben in dieser Declaration ziehen den Verlust des Versicherungsanspruches nach sich. Außerdem erlischt der Anspruch auf die Versicherung (abgesehen von dem Falle, wo nur auf Zeit versichert wurde u. der Ablauf dieser Zeit natürlich den Vertrag von selbst beendigt), nach den bei den meisten Anstalten angenommenen Grundsätzen noch, wenn die Einzahlung der bedungenen Prämie nicht zur rechten Zeit erfolgt, wenn der Versicherte gefahrdrohende Reisen unternimmt, ohne dazu die Zustimmung der Anstalt erwirkt zu haben, wenn der Versicherte sich einem auffallend liederlichen Lebenswandel, z.B. dem Trunke, ergibt u. wenn der Versicherte sein Leben durch Selbstmord., im Zweikampfe od. durch die Hand der Gerechtigkeit verliert. Bei Militärpersonen tritt in der Regel, während sie vor dem Feind stehen, ein Ruhen des L-s ein, so daß die Versicherungssumme nicht gewährt wird, wenn der Versicherte im activen Kriegsdienst stirbt, dagegen aber der Anspruch wieder auflebt, sobald die Zeit dieses Kriegdienstes aufhört. Tritt der Todesfall ein, so muß derselbe der Versicherungsanstalt möglichst bald mit Übersendung eines amtlichen Todtenscheines, meist auch unter Beilegung eines genauen ärztlichen Berichtes über die letzte Krankheit angezeigt werden. Über die einzelnen Lebensversicherungsanstalten u. ihre verschiedenartige Einrichtung (auf Actien, auf Gegenseitigkeit etc.) s. Assecuranz II C). Vgl. Babbage, A comparative view of the various institutions for the assecurance of lives, Lond. 1828 (deutsch Weim. 1827); Littrow, Über L., Wien 1832; Bleibtreu, Zweck u. Einrichtung der Lebensversicherungsanstalten, Karlsr. 1832.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 192-193.
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