Salicin

[785] Salicin (Weidenbitter), C26H18O14, krystallisirbarer sogenannter indifferenter Stoff, welcher sich in der Rinde verschiedener Weiden- u. Pappelarten, wie Salix helix, S. purpurea, S. alba, S. amygdalina, Populus tremula, P. alba, P. graeca mit Populin u. mit Corticin findet; kommt auch in dem Bibergeil, sowie in den Knospen der Spiräablüthen vor. Man stellt das S. dar, indem man die Abkochungen der Weidenrinden abdampft, die abgedampfte Flüssigkeit mit geschlämmtem Bleioxyd digerirt u. dann bis zur Syrupconsistenz abdampft; nach einigen Tagen bilden sich krystallinische Massen, welche durch Wiederauflösen u. Umkrystallisiren gereinigt werden. Das S. krystallisirt aus der wässerigen Lösung in kleinen, weißen, glänzenden Schuppen, aus der Lösung in Säuren in vierseitigen Prismen; es ist von bitterem Geschmacke u. ohne Reaction auf Pflanzenfarben. Bei 19° löst es sich in 17,86 Theilen u. bei 100° in jedem Verhältnisse im Wasser. Durch concentrirte Salpetersäure wird das S. in Pikrin- u. Oxalsäure, durch verdünnte Säuren in Salirelin u. Zucker, durch Schmelzen mit Kalihydrat in Salicyl- u. Oxalsäure, u. durch Chromsäure in salicylige Säure, Kohlensäure u. Ameisensäure verwandelt. Alle diese Thatsachen führen zu der Annahme, daß das S. ein Gemenge zweier Substanzen ist, von denen die eine Zucker, Oxal-, Kohlen- u. Ameisensäure, die andere Pikrinsäure, Satiretin u. salicylige Säure liefert. Wenn man 150 Gran fein gepulverten S. in 200 Theilen Wasser vertheilt, zu diesem Gemenge 3 Theile Emulsin setzt u. das Ganze 10–12 Stunden lang bei 40° im Wasserbade digerirt, so findet man nach dieser Zeit das S. vollständig in Saligenin umgewandelt. Wenn man Chlorgas durch ein Gemenge von 1 Theil S. mit 4 Theilen Wasser leitet, so wird das S. unter Gelbwerden der Flüssigkeit nach u. nach gelöst u. nach einiger Zeit scheiden sich aus der Flüssigkeit perlmutterglänzende Krystalle aus, welche durch die Einwirkung des Chlors auf S. entstanden sind. Sie sind Chlorsalicin, C26H17ClO14, u. bestehen aus 1 Äquivalent Zucker, C12H10O10, u. 1 Äquivalent Chlorsaligenin, C14HrClO4. Das Bichlorsalicin, C26H16Cl2O14, wird durch die Einwirkung von Chlor auf den vorigen Körper, od. durch fortgesetzte Einwirkung von Chlor auf S. dargestellt. Durch fernere Behandlung des Bichlorsalicin mit Chlor bildet sich endlich das Trichlorsalicin, C26H15Cl3O14. Das S. bildet beim Behandeln mit concentrirter Salpetersäure Pikrin- u. Oxalsäure; behandelt man aber das S. mit sehr verdünnter Salpetersäure, so erhält man Helicin u. Helicoïdin (s. Helicin). Wenn man nach Hofmann S. u. chlorsaures Kali in siedendem Wasser löst u. zu der Lösung Chlorwasserstoffsäure in kleinen Quantitäten setzt, so nimmt die Flüssigkeit eine gelbe Farbe an, es entwickelt sich Kohlensäure u. Krystalle von Chloranil scheiden sich aus. Behandelt man S. mit concentrirter Schwefelsäure, so bildet sich Olivin; löst man S. in concentrirter Schwefelsäure, so bildet sich Rusinschwefelsäure (s. b.). Die Eigenschaft des S-s, durch concentrirte Schwefelsäure blutroth gefärbt zu werden, dient als Prüfungsmittel der Weidenrinden auf S. Hierbei bildet sich ferner Rutilin (s.d.). Mit geschmolzenem Kalihydrat zusammengebracht, bildet das S. salicylsaures Kali (s. Salicylsäure). Das S. wirkt gegen Wechselfieber ähnlich den Chinabasen, aber schwächer.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 785.
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