Schullehrerseminarium

[464] Schullehrerseminarium, Anstalt, in welcher junge Leute zu Volksschullehrern gebildet werden; die Zöglinge (Seminaristen) wohnen gewöhnlich zusammen im Seminargebäude unter Aufsicht des Directors u. der ordentlichen Lehrer (Internat); doch hat man gegen diese Abgeschlossenheit mehrfache Bedenken erhoben. Die S-en sind gewöhnlich Anstalten des Staates, werden von demselben erhalten u. durch die höheren geistlichen Behörden beaufsichtigt. Privatschullehrerseminare beruhen in der Regel auf besonderen milden Stiftungen. Da die Seminaristen meist 17–24 Jahr alt sein u. mehr Kenntnisse, namentlich in der Musik, besitzen müssen, als Bürgerschulen gewähren, so sind damit oft Vorbereitungs- (Präparanden-) Anstalten verbunden; viele Seminaristen werden indeß auch auf andere Weise, z.B. in den niederen Klassen der Gelehrtenschulen od. durch Schullehrer u. Geistliche, vorgebildet. Die Unterrichtsgegenstände in den S. sind: genaue Kenntniß der christlichen Religionslehre, Bibel, biblische Geschichte, das Wichtigste aus der Kirchengeschichte, namentlich bei evangelischen S-en die Reformation vollkommene Fertigkeit im Sprechen u. Schönlesen, im Schön- u. Richtigschreiben; aus der Geschichte, Erdkunde, Naturbeschreibung u. Naturlehre, was der Volksschullehrer braucht; die Anfangsgründe der Geometrie, gründliche Kenntniß der Musik, bes. des Gesanges, des Geigen-, Klavier-, Orgelspiels u. des Generalbasses, etwas freie Handzeichnung, bes. aber Erziehungs- u. Unterrichtslehre. In neuester Zeit hat man auch Acker- u. Obstbaukunde in den Kreis der Unterrichtsgegenstände in S-en gezogen. Zur Erlangung praktischer Übung ist mit den S-en gewöhnlich eine Schule verbunden, Seminarschule, auch wird in einigen Blinden- u. Taubstummenunterricht mitertheilt. Der Aufenthalt der Zöglinge im S. dauert 2–3 Jahre; vor der Entlassung müssen sie eine Prüfung bestehen, wodurch sie erst zu Schulstellen wahlfähig werden; auch gibt es zur Nachbildung derselben besondere Schulen, Schullehrerschulen, z.B. in der Schweiz. In den meisten Ländern hat man besondere Seminarordnungen, z.B. seit 1861 in Sachsen. In Preußen wurde der Unterricht in den evangelischen S-en der Monarchie durch ein Regulativ 1854 geordnet. Erst seit der Mitte des 18. Jahrh., wo man die große Wichtigkeit eines guten Volksunterrichts u. tüchtiger Lehrer dafür immer mehr erkennen lernte, bes. auf Anregung der Philanthropen u. Pestalozzis, entstanden besondere S-en. Das erste S. soll in Stettin 1735 gegründet sein, dann in Berlin 1751 durch Hecker u. darauf nach u. nach in allen deutschen Ländern. Die meisten S-en hat die Schweiz u. Preußen, jede Provinz hat mehre, jeder Regierungsbezirk wenigstens ein Hauptseminar. Seit 1831 gibt es in Berlin ein Seminar zur Bildung der Lehrer an Bürgerschulen. Österreich hat keine eigentlichen S-en, die Schullehrer werden dort in den Normalschulen vorgebildet u. machen dann nur noch einen kurzen Cursus. Seit 1847 bestehen auch S-en in England (doch werden[464] sie nicht von dem Staate gegründet, sondern von den einzelnen Kirchengemeinschaften, aber vom Staate unterstützt, u. Griechenland hat in neuester Zeit ein S. in Nauplia erhalten. Die übrigen europäischen Länder, auch Nordamerika, haben keine S-en. Vgl. Seiler, Plan zu S-en, Erl. 1787; Natorp u. Busch, Über Bildung der Elementar-schullehrer in S-en; in der Quartalschrift für Religionslehrer 1814; Harnisch, Frisches u. Firnes, Eisleben 1836, 2. Bd.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 464-465.
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