Suso

[109] Suso (Seuße), Heinrich, stammte väterlicher Seit von den Herren von Berg, mütterlicher Seits aus der Familie Seuße (Süß) u. war geb. 21. März 1300 in Constanz; er kam 1313 in das dortige Franciscanerkloster u. studirte darauf in Köln Theologie. Nach dem Tode seiner Mutter, nach welcher er sich nun nannte, wendete er sich unter dem Einfluß Eccarts von dem Weltleben zum Suchen nach Wahrheit u. innerem Frieden, nahm die ewige Weisheit als sein personificirtes Ideal an, welches er bald mit Gott, bald mit Christus, bald mit der Heiligen Jungfrau identificirte u. deren Herzenstraut od. Amandus er sich nannte, u. kehrte in das Kloster nach Constanz zurück, wo er ein streng ascetisches Leben mit schweren Kasteiungen führte. Seit 1340 widmete er sich aber dem Predigerberuf in Schwaben, Schweiz, Elsaß u. im Rheinlande u. trat mit andern Mystikern in Verbindung, namentlich mit Tauler u. Heinrich von Nördlingen; bes. übte er auf Frauen einen wesentlichen Einfluß, welche er zu einem Leben in der Liebe Christi veranlaßte, sammelte Vereine von Gottesfreunden u. gründete eine Brüderschaft der ewigen Weisheit, für welche er Regeln u. Gebete verfaßte. Dieses außerkirchliche Wirken setzte ihn manchen persönlichen Gefahren u. Verleumdungen aus, wie er denn beschuldigt wurde die ketzerischen Lehren der Brüder des freien Geistes zu verbreiten. Zuletzt wurde er Prior seines Klosters u. st. 25. Jan. 1365 im Dominicanerkloster zu Ulm, wo er auch begraben liegt. Seine Schriften enthalten: seine Lebensbeschreibung (nach seinen eigenen Mittheilungen von der Nonne Elisabeth Stäglin im Kloster Töß bei Winterthur geschrieben u. von ihm selbst abgeändert u. vervollständigt); Buch von der ewigen Weisheit (sein Hauptwerk, 1338 geschrieben in der Form eines Gesprächs, worin die Weisheit sich mit ihrem Diener darüber bespricht, wie der fromme Mensch den Leiden Christi nachfolgen solle); Buch von der Wahrheit (ebenfalls in dialogischer Form, worin Fragen des Jüngers von der Wahrheit nach den metaphysischen Ideen Eccarts beantwortet werden); u. 11 Briefe; das ihm früher zugeschriebene Buch von den neun Felsen hat nicht ihn, sondern den Strasburger Rulman Merswin zum Verfasser. Die Sammlung seiner Schriften veranstaltete er selbst kurz vor seinem Tode, gedruckt wurden sie in der Ursprache (deutsch) Augsb. 1482 u. 1512; außer Übersetzungen ins Lateinische, Französische, Italienische u. Holländische gibt es bes. eine gute' lateinische von Turins, Köln 1555 u. ö., u. eine neuhochdeutsche von Diepenbrock, Regensb. 1829, u. A. 1838. Ein eigenes zusammenhängendes System findet sich in seinen Schriften nicht; der Stoff ist seinen Zeitgenossen von der mystischen Richtung entlehnt, sein ist nur die phantastische, romantische Form, wie er denn der Repräsentant der poetischen Mystik des Mittelalters ist u. den gebildetsten deutschen Styl seiner Zeit schrieb. Ihm ist das Wesen, der höchste Begriff, Gott selbst; erkannt wird es in, der Natur, wie in einem Spiegel, aus welchem es wiederleuchtet (daher ihm Speculation die Erkenntniß Gottes in diesem Spiegel ist); die höchste Seligkeit des Menschen ist, die grundloseste Lust u. Freude, welche Gott in sich selbst ist, beschaulich zu genießen. Die Creaturen sind ewig in Gott, als ihrem ewigen Exemplar; an sich ist kein Unterschied zwischen Gott u. ihnen u. unter ihnen; erst nach dem Ausfluß aus Gott werden sie anders als Gott u. verschieben unter sich; aber alle sehnen sich zur Rückkehr in, Gott u. zur Wiedervereinigung mit ihm. Der einzige Weg des durch Sünde getrübten Menschengeistes zu Gott ist durch Christum, u. zwar durch Nachahmung der Leiden desselben; dabei gibt es verschiedene Grade: die Läuterung (Ablegung aller sinnlichen Begierden), die Erleuchtung (Erfüllung der Seele mit göttlichen Formen), die Vollkommenheit (Schauen, Liebe u. Genießen des höchsten Gutes); der Menschengeist kommt so durch die Entbildung von der Creatur, die Bildung mit Christo u. die Überbildung in Gott zur Unwissenheit seiner selbst u. der Dinge. wo nun nur Gott in ihm wirkt, aber doch zwischen dem Schöpfer u. dem Geschöpf die Anderheit fortbesteht. Vgl. Schmidt, Der Mystiker H. S., in den Theologischen Studien u. Kritiken, 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 109.
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