Temme

[353] Temme, Jodocus, geb. 22. October 1799 zu Lette in der Grafschaft Rheda in Westfalen, studirte seit 1814 in Münster u. Göttingen die Rechte, wurde 1817 Auscultator beim Oberlandesgericht in Paderborn u. 1819 Referendar daselbst, 1821 Assessor bei dem fürstlichen Bentheimschen Land- u. Stadtgericht in Limburg, später Hofgerichtsassessor in Arnsberg, dann Kreisjustizrath zu Ragnit in Lithauen, 1836 Inquisitionsdirector in Stendal, 1838 Hofgerichtsrath in Greifswald, 1844 Stadt- u. Landgerichtsdirector in Tilsit, 1848 Staatsanwalt in Berlin u. in demselben Jahre Director des Oberlandesgerichts in Münster. In der Preußischen Nationalversammlung, in welcher er den Kreis Ragnit vertrat, war er einer der Führer der Linken u. nahm wesentlichen Antheil an der Steuerverweigerung u. der Protestation gegen die Auflösung der Nationalversammlung im November 1848, weshalb er nach Beschluß des Criminalsenats des Oberlandesgerichts am 22. Decbr. 1848 wegen Hochverraths verhaftet u. von seinem Amt suspendirt wurde. Anfang 1849 wurde er von Neuß in die Deutsche Nationalversammlung nach Frankfurt gewählt, u. seiner Hast entlassen, ging er dahin, trat auch für den Bezirk Tilsit-Ragnit wieder in die zweite Preußische Kammer, wo er wieder die Opposition ergriff. Nach der Auflösung der Zweiten Kammer ging er wieder nach Frankfurt u. mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart. Deshalb wurde er in Münster verhaftet u. abermals des Hochverraths angeklagt, zwar am 6. April 1850 von der Jury freigesprochen, aber sogleich wegen der früheren Beschuldigung in eine Disciplinaruntersuchung genommen u. im Februar 1851 seines Dienstes entlassen. Darauf übernahm er die Redaction der Neuen Oderzeitung in Breslau, bis er 1852 als Professor des Criminal- u. Civilprocesses nach Zürich berufen wurde. Er schr.: Handbuch des preußischen Civilrechts, Lpz. 1832, 2 Thle., 2. Aufl., Berl. 1846; Handbuch des preußischen Criminalrechts, Lpz. 1837; Die Lehre von der Tödtung nach preußischem Recht, ebd. 1839; Die Lehre vom Diebstahl etc., Berl. 1840; Kurze Bemerkungen über den gemeinen deutschen u. preußischen Proceß, ebd. 1840; Die Lehre vom strafbaren Betrug, ebd. 1841; Die preußischen Strafanstalten, ebd 1841; Beitrag zum preußischen Strafrechte, ebd. 1842; Kritik des Entwurfs des Preußischen Strafgesetzbuchs, ebd. 1843; Das preußische Vormundschaftsrecht, ebd. 1847; Grundzüge eines deutschen Strafverfahrens, ebd. 1850; Glossen zur Strafgesetzgebung für die Preußischen Staaten, Bresl. 1853; Anleitung zur Civilproceßpraxis, Schaffh. 1855; Lehrbuch des preußischen Strafrechts, Berl. 1853; Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, Aarau 1855; gab auch mit Bonseri 1841 die Criminalistische Zeitung für die Preußischen Staaten heraus. Außerdem schr. er (Anfangs unter dem Pseudonym H. Stahl) die Romane u. Erzählungen: Die Kinder der Sünde, 1827; Otto der Schütz u. Auscultator; Die Familie Hachenbach; Die Ideale; Das Rosenfest von Valency; Die geheimnißvolle Familie, 1834; Adel, Glogau 1860, 2 Bde.; Dunkle Wege, Berl. 1861 ff., 2 Bde.; Schwarzort, ebd. 1863; Erzählungen, 1828, 2 Bde.; Erzählungen u. Novellen, 1829, 2 Bde.; Deutsche Criminalgeschichten, Lpz. 1858 ff., 4 Bde.; Criminalnovellen, Berl. 1860 ff., 9 Bde.; Westfälische Sagen u. Geschichten, 1831, 2 Bde.; mit T. v. Tettau: Volkssagen Ostpreußens, Lithauens u. Westpreußens, 1837; Volkssagen der Altmark, 1839; Volkssagen von Pommern u. Rügen, Berl. 1840. Vgl. F. Steinmann, T., sein Leben u. sein Hochverrathsproceß, ebd. 1850.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 353.
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