Vagabund

[330] Vagabund (Vagant, v. lat), 1) ein Mensch, welcher keinen festen Wohnsitz hat. Dies kann durch die Art des Gewerbes, welches Jemand treibt, u. durch die Geburt von Eltern, welche ihren Erwerb im Umherziehen haben, veranlaßt sein, ohne daß hierdurch an sich ein Grund geboten ist den Betroffenen in seiner Ehre niedriger zu stellen als andere Leute. Im Allgemeinen genießen daher V-en in den Staaten, in welchen sie sich gerade befinden, wenn sie sich nur sonst gesetzmäßig betragen, gleiche Rechte mit anderen Fremden, u. nur der Mangel eines festen Domicils ist der Grund, wenn gegen sie in einiger Beziehung auch civilrechtlich einige besondere Rechtssätze zur Anwendung gebracht werden. Dahin gehört, daß bei ihnen ein besonderer allgemeiner Gerichtsstand, in Vertretung des Forum domicilii, da angenommen wurde, wo die Eltern des V-en zuletzt ihren bleibenden Wohnsitz hatten, od., wenn ein solcher nicht auszumitteln ist (z.B. bei Findelkindern), wo der V. zuerst angetroffen wurde (sogen. Forum originis). Da ferner Ladungen an V-en sehr oft ordentlicher Weise nicht insinuirt werden können, so haben statt derselben Edictalcitationen einzutreten. Im engeren Sinne sind V-en 2) solche Personen, welche ohne einen erlaubten Zweck u. ohne hinreichende Unterhaltsmittel, auch ohne einen ordentlichen Erwerbszweig, meist nur aus Faulenzerei od. auch wohl mit der Nebenabsicht unredlichen Erwerbes umherziehen (Landfahrer, Landstreicher, Gauner). In der Regel werden gegen solche Personen zunächst nur polizeiliche Mittel angewendet, welche in Verweisung an den Wohnort, bei Unfertigkeiten od. im Wiederbetretungsfalle aber in geringen Gefängnißstrafen bestehen. Die Schwierigkeiten, welche früher bei der Vollziehung der Verweisung in den Wohnort dadurch sich ergaben, daß der Wohnort oft nicht ausgemittelt werden konnte u. dann oft die Übernahme verweigert wurde, sind neuerdings theils durch bessere Regelung der Heimathsverhältnisse, theils durch vielfache Verträge, welche wegen Übernahme solcher auszuweisender Personen zwischen den verschiedenen Staaten abgeschlossen worden sind, mehr u. mehr beseitigt worden. Der Hauptvertrag, welcher deshalb zwischen den deutschen Staaten besteht, ist ein in Gotha abgeschlossener [330] Vertrag vom 15. Juli 1851. Jede der betheiligten Regierungen ist hiernach verpflichtet die Individuen, welche noch fortdauernd ihre Angehörigen sind, so wie ihre vormaligen Angehörigen, auch wenn sie die Unterthanenschaft nach der inländischen Gesetzgebung bereits verloren haben, so lange auf Verlangen des anderen Staates wieder zu übernehmen, als sie nicht dem anderen Staate nach dessen eigener Gesetzgebung angehörig geworden sind. Ist aber die Person, deren sich der eine Staat entledigen will, zu keiner Zeit einem der betheiligten Staaten als Unterthan angehörig gewesen, so ist unter ihnen der Staat zur Übernahme verpflichtet, in dessen Gebiete der Auszuweisende nach zurückgelegtem 21. Lebensjahre zuletzt fünf Jahre hindurch sich aufgehalten od. sich verheirathet u. mit seiner Ehefrau unmittelbar nach der Eheschließung sechs Wochen eine gemeinschaftliche Wohnung innegehabt hat, od. in dessen Gebiet er geboren ist. Abgesehen von diesen polizeilichen Maßnahmen wird von vielen Landesgesetzen auch eine Criminalstrafe (Arbeitshaus- od. Correctionshausstrafe) den V-en angedroht, welche sich nach wiederholter polizeilicher Bestrafung wieder als Landstreicher betreten lassen; ja selbst im ersten Betretungsfalle wird eine solche Strafe verwirkt, wenn der V. falsche Reiselegitimationen bei sich führt, sich mit gefährlichen Waffen versehen zeigt, verkleidet ist od. sich sonst unkenntlich gemacht hat, od. wenn er in Gemeinschaft mit anderen Landstreichern herumzieht, welche nicht zu seiner Familie gehören. In diesen Fällen kann gegen den V. nach manchen Gesetzen Arbeitshausstrafe bis zu einem u. zwei Jahren erkannt werden; vgl. Gauner.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 330-331.
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