Wassersäulenmaschine

[917] Wassersäulenmaschine, Kraftmaschine zur Aufnahme der Wasserkraft, bei welcher das Wasser drückend auf einen Kolben in einem Cylinder wirkt u. diesem Kolben eine geradlinig hin- u. hergehende Bewegung ertheilt. Die W. hat in ihrer Anordnung eine gewisse Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Dampfmaschinen, doch sind die W-n von Vortheil bei großer Gefällshöhe u. kleiner Wassermenge u. werden meist nur in den Bergwerken zum Heben des Wassers durch Pumpen angewendet. Die einfach wirkende zweistiefelige (s. unten B) W. auf Alte Mordgrube bei Freiberg hat 356 Fuß Gefälle, 8 F. Kolbenhub, 11/2 F. Stiefelweite u. macht vier Doppelspiele in 1 Minute; die Clausthaler W-n haben 612 F. Gefälle, 8 F. Hub, 161/2 Zoll Kolbendurchmesser u. vier Spiele in 1 Minute; die W. im Leopoldschachte bei Schemnitz hat 710 F. Gefälle, 8 F. Hub, 11 Z. Kolbendurchmesser u. drei Spielein 1 Min. Über Leistungs- u. Wirkungsgrad der W. s.u. Wasserkraft. A) Die Haupttheileder W. sind: a) der Einfallkasten od. das Speisereservoir. Das Betriebswasser der W. wird zwar meist in ähnlicher Weise angesammelt u. zugeführt, wie bei den Wasserrädern, vor seinem Eintritt in die W. wird es aber zunächst in einem großen Einfallskasten gesammelt, damit es sich darin abkläre u. beruhige; fremdartigen Körpern, z.B. Holzstücken u. Blättern, wird dabei durch Rechen u. Gitter der Eintritt in das Reservoir verwehrt, b) Die Einfallsröhre führt das Wasser aus dem Einfallskasten zur eigentlichen W.; sie mündet mindestens 11/2 F. über dem Boden des Kastens u. 3–5 F. unter dem Wasserspiegel, damit weder schwimmende, noch zu Boden gesunkene Körper in sie eindringen, auch keine Lufttrichter entstehen; auch führt man zu diesem Zwecke die Einfallsröhre von oben nach unten gekrümmt in den Kasten, mit nach unten gerichteter Mündung, welche außerdem durch eine durch Hebel stellbare Klappe od. Zapfen ganz od. theilweise geschlossen werden kann, behufs der Regulirung des Wassereintritts; vor der Benutzung werden die durch Musse od. Kränze u. Schrauben verbundenen Röhrenstücke mittelst einer hydraulischen Presse auf ihre Wasserdichtheit geprüft; die einzelnen Stücke sind 5–8 F. dick, ihre Weite beträgt etwa 1/3-1/2 von der des Stiefels u. ihre Wandstärke muß dem Druck entsprechend gewählt werden, welchen sie auszuhalten haben; um den Einfluß der Temperatur unschädlich zu machen, bringt man Compensationsröhren (s. Röhre 2) an. c) Der Stiefel od. Treibcylinder ist aus Eisen od. Kanonenmetall, 21/2-6 mal so lang als weit, damit man wenig (3–6) Spiele in der Minute bekomme u. so wenig Arbeitsverlust habe; je nach der Einrichtung der W. ist der Stiefel blos an dem einen Ende od. an beiden durch einen aufgeschraubten Deckel geschlossen; der Stiefel liegt meist vertical, seltener horizontal; in ihm bewegt sich d) der Treibkolben, genau in den Stiefel passender, massiver Cylinder u. mit einer Liderung (s.d.) versehen, welche entweder am Kolben od. am Stiefel festsitzt; im erstem Falle ist der Kolben kurz, im andern (als Mönchs- od. Bramahkolben) von gleicher Länge mit dem Stiefel. e) Die Kolbenstange, aus Eisen od. Kanonenmetall od. aus Holz, ist an dem Kolben befestigt, geht durch das offene Ende od. den Deckel des Stiefels hindurch u. pflanzt die Triebkraft nach der Arbeitsmaschine fort; geht die Kolbenstange durch den Deckel, so ist eine Stopfbüchse (s.d.), welche bei der W. gewöhnlich mit Lederscheiben (daher Lederbüchse) od. Hanfzöpfen abgedichtet ist. f) Das Ausgußrohr führt das Wasser ab, nachdem es im Stiefel gewirkt hat. g) Die Steuerung (s.d.); die innere Steuerung ist bei älteren W-n Hahn- u. Kolbensteuerung, bei neueren W-n auch Ventil- od. Schiebersteuerung; über die äußere Steuerung der W. s. unter Steuerung B). h) Zur Regulirung des Ganges der W. sind noch einige Hülfsvorrichtungen nöthig. Der Auf u. Niedergang des Treibkolbens wird bei einfach wirkenden W-n durch den Balancier regulirt, eine Vorrichtung, welche die Bewegung des Treibkolbens nach der einen Richtung hin unterstützt, nach der andern hin hindert, so daß das Kolbenspiel seinen regelmäßigen Fortgang hat, ohne eine bedeutende Geschwindigkeitsänderung zu erleiden; bei zweistiefeligen W-n ist der Balancier ein zweiarmiger Hebel, welcher die beiden Kolbenstangen mit einander verbindet; bei einstiefeligen W-n ist eine fremde Kraft zum Ausgleichen nothwendig, u. zwar entweder ein mechanischer od. ein hydraulischer Balancier; erster ist ein zweiarmiger Hebel, welcher an dem einen Arme mit Gewichten beschwert ist, während der andere mit der Kolbenstange od. dem Gestänge überhaupt verbunden ist, so daß jene diesem entgegenwirken; letzter besteht in einer Wassersäule, welche das todte (aus dem Stiefel abfließende) Wasser in dem vom Steuercylinder aus aufsteigenden Ausgußrohre bildet u. welche dem Gestänge beinahe das Gleichgewicht hält u. dasselbe nur langsam niedergehen läßt. Außerdem läßt sich der Gang der W u. insbesondere auch der Gang der Steuerung durch Stellhähne, Stellventile, Stellschieber reguliren, welche das Wasser langsamer zu- od. abzufließen nöthigen.

B) Bezüglich ihrer Einrichtung u. Anordnung sind die W-n entweder einfachwirkende od. doppeltwirkende, entweder einstiefelige od. zweistiefelige. a) Bei der einfachwirkenden einstiefeligen W. wird der Kolben nur nach der einen Richtung hin vom Wasser fortbewegt, während er seine rückgängige Bewegung durch sein eigenes Gewicht od. durch ein mit ihm verbundenes fremdes Gewicht, z.B. das des Pumpengestänges od. durch das Gegengewicht des Balanciers, macht; bei vertical stehendem Stiefel kann das Wasser entweder die Kolben aufwärts od. niederwärts treiben, u. der Stiefel ist dann nur an seinem untern od. obern Ende durch einen Deckel geschlossen. b) Bei der einfachwirkenden zweistiefeligen W. sind zwei Stiefel u. zwei Kolben, aber nur eine Einfallröhre, ein Ausgußrohr u. eine Steuerung vorhanden; letztere regulirt den Wassereintritt so, daß das Druckwasser abwechselnd einen der beiden Kolben aufwärts treibt, während der andere niederwärts geht u. das todte Wasser unter demselben durch das Ausgußrohr abfließt; so hat abwechselnd immer ein Kolben eine aufwärtsgehende Bewegung, u. wenn die eine Kolbenstange an dem einen Ende, die andere an dem andern Ende eines gleicharmigen Hebels (Balancier) angehängt ist, so nimmt der Balancier eine schwingende Bewegung um seine Drehachse an u. geht stets beim Aufgange des einen [917] Kolbens der andere nieder. c) Bei der doppeltwirkenden W. bewirkt der Wasserdruck sowohl die Hin-, als auch die Rückbewegung des Kolbens; der Stiefel dieser W-n steht entweder vertical od. er liegt horizontal, bei der stehenden W. bewegt sich demnach der Kolben in verticaler, bei der liegenden W. in horizontaler Richtung. Die Umwandlung der hin- u. hergehenden geradlinigen Bewegung in eine Umdrehung erlangt man am vollkommensten, wenn man zwei doppeltwirkende W-n zusammenkuppelt, von denen die eine um einen halben Hub vor der andern vorausgeht. Zwar schon Belidor beschreibt (in Architecture hydraulique, Par. 1737–53) eine W. mit horizontalem Stiefel; auch erzählt er, daß schon 1731 Denisard u. de la Duaille eine W. mit 9 Fuß Gefälle zum Wasserheben construirt haben; doch scheint die W. zum Wasserheben beim Bergbau zuerst von Winterschmidt u. bald nachher von Höll erfunden od. wenigstens verbessert worden; vgl. Busse, Betrachtung der Winterschmidt- u. Höllschen W., Freiberg 1804; Junker, Mémoire sur les machines à colonne d'eau de la mine Huelgoat (in Bretagne), Par. 1835. Reichenbach vereinfachte die Kolbensteuerung wesentlich; nach seinem System sind die neueren Baierischen W-n construirt. Darlington construirte eine W. mit doppeltwirkender Steuerungshülfsmaschine für die Alport-mines in Derbyshire.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 917-918.
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