Rathsherr

1. Die klügsten Rathsherren gehen auf dem Markte, die geschicktesten und kühnsten Steuerleute am Strande und die vorsichtigsten Kriegsleute sitzen im Zelte.

Gegen die Tadler.

Holl.: De schranderste raadslieden wandelen op de markt. (Harrebomée, II, 207b.)


2. Ein junger Rathsherr und ein neuer Jurist, ein Bauernsohn, der ein Herr worden ist, und ein neugebackener Edelmann, wer ist's, der etwas Stolzers nennen kann?


3. Ein Rathsherr in Spanien, ein Ritter in England, ein Herr in Frankreich, ein Bischof in Italien und ein Graf in Deutschland ist eine arme Gesellschaft.

Unter den deutschen Grafen gibt es doch wol einige, die nicht ganz zu den armen Leuten zu rechnen sind.


4. Ein Rathsherr ohne Witz, ein Schweinspiess ohne Spitz, ein Ofen ohne Hitz, die drei Ding nützen nix.Aarg. Taschenbuch; Gerlach, 277.

Ein Ofenspruch in der Schweiz.

5. Ein Rhatsherr reuspert sich, ehe er spricht. Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 85.


6. Lass die Rhatsherren senff essen.Lehmann, 718, 11.


7. Wenn di Roathsharrn 'runter genna1, senn si g'scheider, as wenn sie 'nauf genna. (Franken.) – Frommann, VI, 322, 315.

1) Vom Rathhaus kommen.


[1492] 8. Willst wol Rathsherr werden, sagte der Bauer zu einem Knaben, der bald richtig lesen konnte.


*9. Du kannst Rathsherr werden.Frischbier2, 3066.

Wenn ein unfertiger Leser ein Wort durch Errathen herauszubringen sucht. Auch fragweis: Willst du Rathsherr werden?


*10. Er würde einen guten Rathsherrn abgeben, er sagt zu allem: ja.Mayer, II, 86.


*11. Es geht ihm wie jenem Rathsherrn, den einen Theil (geniesst er) gesotten, den andern gebraten.


*12. Es ist ein Rathsherr wie Judas ein Apostel.

Holl.: Het is een raadsman als Judas een apostel. (Harrebomée, II, 207.)

*13. Es sind die golnower Rathsherren.

Schmidt (Jubelschrift, 12) sagt darüber: »In der Volkssprache wurden früher die Dohlen ›golnower Rathsherren‹ genannt. Da die genannten Vögel, namentlich beim Läuten der Glocke, aus den Thurmlöchern, in welchen sie in einigen pommerschen Städten nisten, mit lautem, nicht angenehmem Geschrei herausfliegen; so soll der Ausdruck wahrscheinlich die unparlamentarische, ungeordnete, aber lärmende Debatte der golnower Rathsherren bezeichnen. An eine frühere der Dohlenfarbe ähnliche Tracht der Rathsherren ist wol weniger zu denken.«


[Zusätze und Ergänzungen]

14. Wenn der Rathsherr nach Wein stinkt, gehört er zur Mistlachen.Abele.


*15. Er hat die fünff Rhatsherren und Schweine nicht alle zu hauss.Monatsblätter, VI, 190,17.

Um zu sagen: in seinem Kopfe ist's nicht ganz richtig. Die Redensart steht mit folgenden zusammen: Er hat einen Schiefer, einen Schiefer zuviel. Er ist unter dem Hütlein nicht wol verwaret.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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