See

1. Auf der See soll man sich vor dem Priester doppelt neigen.

Man soll den Priestern alle Ehre erweisen, weil sie nach altem Volksglauben das Wetter, wenn auch nur das [487] schlechte, machen (s. Pfaffe 251), womit Seegefahren verbunden sind. In demselben Sinne sagen die Schweden: Wenn man zur See ist, so soll man einen Priester sidkofte (tiefkappig) nennen. (Vgl. Rochholz, Altd. Bürgerleben, S. 233.)


2. Auf grossen Seen sind grosse Wellen.Simrock, 9434.


3. Auf hoher See wirft niemand Anker.


4. Aus dem See wird eher ein Sumpf, als aus dem Sumpf ein See.Altmann VI, 387.


5. Bei ruhiger See ist's gut (leicht) Steuermann sein.

Engl.: In a calm sea every man is a pilot. (Bohn II, 3.)


6. Der See will sein Opfer haben.

»Schreibt man aus Wien, und es ist ihm geworden. Die Ministerkrisis hat sich in die Enthebung eines einzelnen Ministers aufgelöst.« (Bresl. Zeitung, 1864, Nr. 593.) Anspielung auf Schiller's Tell, 1. Act, 1. Scene: »Da rast der See und will sein Opfer haben«.


7. Der muss die See nicht schelten, der das zweite mal daraufgegangen ist.

It.: A torto si lamenta del mare, chi due volte ci vuol tornare. (Bohn I, 73.)


8. Die See lässt nicht mit sich scherzen.


9. Die See macht manchen reich, macht auch manchen arm.Petri, II, 142.


10. Die Seen wären übel daran, wenn die Bäche kein Wasser hineinführten.


11. Ein See, den man von allen Seiten dämmt, zerbricht das Ufer.


12. In der See suche keine Erdbeeren.

Engl.: Don't fisk for strawberries in the bottom of the sea.


13. In verbotenen Seen fischt man gern.Seybold, 358.


14. Ist man über See und Sand, so ist man seiner Klage unversäumt.Graf, 444, 387.

Wilder Wind, Triebschnee, Springflut und Wasser ohne Steg und Brücke, das dem Hineinwatenden über den Hals geht, Aufenthalt ausser Landes, letztern jedoch nicht für den Kläger (s.d.), waren ausreichende Entschuldigung wegen Ausbleiben vor Gericht und verhütete Rechtsnachtheile. In Lübeck: »Were men auer sehe unde auer sandt, so ys men ayner clage unuersümet.« (Hach, 263.)


15. Je mehr die See aufgewühlt wird, je mehr schäumt sie.

Je unruhiger die See, je mehr Schaum.

Dän.: Jo meere et hav oprøres, jo meere giver det skum. (Prov. dan., 276.)


16. Lobe die See, aber bleib' auf dem Lande.Eiselein, 564; Simrock, 9436; Winckler, IX, 40; Braun, I, 4060.

Engl.: Praise the sea, but keep on land.

Holl.: Prijs de zee, maar blijf aan wal. (Harrebomée, II, 495a.)

It.: Loda il mar, e tienti alla terra. (Bohn I, 109.)


17. Man muss nicht in See gehen ohne Zwieback.

It.: Non bisogna navigar senza biscotto. (Pazzaglia, 238, 6.)


18. See sonder Fische, Kirche sonder Dresskammer, Hurhaus sonder Hure und magere Suppen.Gryphius, Seugamme; Weinhold, 99.


19. See, Weib und Feuer sind drei Ungeheuer.

Holl.: De zee, een wijf, een vier, elk is een kwaad dier. (Harrebomée, II, 493b.)


20. Seichter See und flaches Land gehen Hand in Hand.


21. Vier Seen seyn, aus denen sich begeht die Welt: Reicher See, armer See, kummer See vnd hinderlappen See.Gruter, III, 90; Lehmann, II, 801, 85.


22. Von denen, die über den See gehen, ertrinken der erste und letzte.


23. Wenn de See de Tähne speilt, heft se den Rache ape.Frischbier2, 3459.

An der samländischen Ostseeküste, um auf die Gefahr hinzudeuten, welche die erregte See droht. Speilen = zeigen.


24. Wenn der See angenehm ist, so bleibt der Fisch.


25. Wenn der See gefriert, so kostet's Reben und Lüt. (Schweiz.)


26. Wer auf der See ist, hat den Wind nicht in der Hand.Simrock, 9433; Körte, 5514.

Frz.: Qui est sur la mer, il ne fait pas des vents ce qu'il veut. (Bohn I, 49.)

Holl.: Die op zee is heeft den wind niet in zijne handen. (Harrebomée, II, 494a; Bohn I, 310.)

Lat.: Non habet in manibus qui navigat aequor. (Tunn. 524.) – Qui maria sulcant, ventum in manibus non habent. (Publ. Syr.)


[488] 27. Wer auf der See ist, muss segeln oder untergehen.

Dän.: Hvo der kommer paa søen, maa enten seile eller synke. (Bohn I, 377.)

Engl.: Being on the sea, sail; being on the land, settle. (Bohn II, 18.)


28. Wer auf der See nicht besser wird, bei dem wirkt auch eine Landpredigt nichts. Sprichwörtergarten, 79.

Nothbekehrung ist schlechte Bekehrung. Indess, wer die Stimme Gottes in ausserordentlichen Schicksalen nicht vernimmt, der wird sie wol auch in den gewöhnlichen überhören.


29. Wer geht zur See, bleibt nicht ohne Weh'.


30. Wer in See gehen will, muss günstigen Wind abwarten.


31. Wer über See geht, ändert wol das Gestirn, aber nicht das Gehirn.

Holl.: Die veel over zee gaan, veranderen wel van lucht, man niet van manieren. (Harrebomée, II, 494a.)


32. Wer vber See vnd Sand freyet, dem wirdt Kupffer für geldt.Henisch, 1208, 8; Petri, II, 771.


33. Wer zur See geht um Verstand, ändert nicht den Gedanken, nur das Land. (Polen.)


34. Wer zur See gewesen ist, der hat beten gelernt.

Von der Wüste sagen die Araber dasselbe. Ein ägyptisches Sprichwort lautet: Wenn die Sahara dich lehrt, Allah zu bitten, so lehrt dich die Oase, ihm zu danken.

Holl.: Die niet ter zee vaart, weet niet, was God is. (Harrebomée, II, 494a.)


35. Wo See gewesen, wird auch wieder See sein.

Ein Sprichwort der Friesen und anderer Küstenwohner, um zu sagen, dass das dem Meere abgewonnene Land später wieder von demselben verschlungen werde.


36. Wogt die See auch noch so sehr, sie wird wieder ruhig.

It.: Anche il mar che à sì grande, si pacifica. (Bohn I, 71.)


37. Zur See fahren ist nothwendig, aber nicht leben.

Das Haus Seefahrt in Bremen hat die Ueberschrift: Navigare necesse est, vivere non est necesse. (Weserzeitung, 4057.)


*38. Aus grossen Seen kleine Hälter machen. Frischbier2, 3458.

Ein Ganzes zu seinem Vortheil in Stücke zertheilen. Diese Redensart ist nach dem Zeugniss Henneberger's (Erklärung der preuss. Landtafel, 35.) zu der Zeit entstanden, als der Hochmeister Friedrich, Herzog von Sachsen, die beiden Komthureien Brandenburg und Balga einzog, solche in Vogteien vertheilte und dadurch die Einkünfte seiner Kammer vermehrte. (Bock, Idiot. pruss.; Pisanski, 2; Hennig, 252.)


*39. Den See von Camarino bewegen.

Freventlich ein Unglück stiften. Der See unweit der Stadt Camarino in Sicillen war in einen Sumpf ausgeartet, der oft die Pest erzeugte. Man fragte das Orakel, ob es nicht besser sei, ihn vollends ganz auszutrocknen. Apoll verbot aber, ihn aufzurühren. Gegen des Orakels Ausspruch trocknete man ihn aber dennoch aus. Zwar hörte die Pest auf, aber die Feinde fielen durch den ausgetrockneten Raum ins Land. Die Redensart beruht auf dem Aberglauben, dass, wenn man vorsätzlich etwas hineinwerfe, ein schweres Ungewitter entstehe. (Berckenmeyer, 120.)


*40. Der wird mir keinen See anbrennen. (S. Teich.)

Um zu sagen: Ich erachte seine Feindschaft nicht für gefährlich.

Lat.: Oderint dum metuant. (Seybold, 402.) – Semper me tales hostes in sequantur. (Philippi, II, 174; Seybold, 549.)


*41. Die See ausschöpfen wollen.

Holl.: De see met sponsen opdroogen. (Bohn I, 308.) – Het lijkt wel verloren arbeid, zei gekke Dries, en hij wilde de zee lêeg scheppen. (Harrebomée, II, 494.)

Lat.: Non habet in manibus ventos, qui navigat aequor. – Qui maria sulcant, ventum haudquaquam in manu habent sua. (Seybold, 491.)


*42. Die See geht bei ihm hoch.Altmann VI, 391.


*43. Die See ist ohne Wasser.

Wenn reiche Leute klagen.


*44. Er geht gerade durch den See.

Von aufrichtigen, festen Charakteren, die fortfahren, wenn sie begonnen, die geradezu und ohne Verstellung handeln.


*45. Er geht tief in See mit ihm.

Lässt sich stark mit ihm ein.


*46. Er ist ein grundloser See.

Ein unergründlicher Mensch.


*47. He mênt üm kann kên Sî to hoch lôpen. (Ostfries.) – Frommann, VI, 281, 662.


*48. In verbotenen Seen fischen.


[489] *49. Nach der See riechen.

Frz.: Cela sent la marine. (Kritzinger, 441b.)


*50. Was soll die See auswerfen!

Wenn etwas Misbehagliches geschieht, weil die See Unreinigkeiten anspült.


*51. Wenn er auf die See gehen wollte, würde kein Wasser dort sein.

Von einem, dem alles im Leben mislingt.

It.: Se io andassi al mare, lo troverei secco. (Bohn I, 125.)


[Zusätze und Ergänzungen]

52. Die See kann grosse Schätze geben, doch bleibt am Strand, wer liebt sein Leben.


53. Wer die See hat, hat das Land.

Soll Pompejus gesagt haben. Die Herrschaft auf dem Meere ist sehr wichtig.

Lat.: Magna res est maris imperium. (Kornmann, III, 165.)


*54. Ueber See vnd Sand (durch Berg und Thal) reisen.Mathesius, Postilla, CXLIIa.


*55. Vber See vnd sand schiffen zum heiligen Grabe.Mathesius, Postilla, III, CVIb.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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