Abt Georg Joseph Vogler

[346] Abt Georg Joseph Vogler, päpstl. Erzzeuge, Ritter vom goldnen Sporn, Kämmerer des apostol. Palasts etc. etc. – gegenwärtig großherzogl. Hessischer geheimer Rath, ein für die Tonkunst sehr wichtiger, obgleich auf so widersprechende Art beurtheilter Musikgelehrter, geb. zu Würzburg 1749. Er legte den Grund zur musikalischen Wissenschaft in Manheim, studirte zu Padua unter Valotti den Contrapunkt, errichtete dann 1776 zu Manheim eine Tonschule, hielt auch hier öffentliche Vorlesungen über Musik, und wurde zuerst durch die Herausgabe seiner Tonschule bekannt, jedoch auch von mehreren Kunstrichtern schon damahls ziemlich hart mitgenommen. Eine größere Celebrität erlangte er als Orgel- und Clavierspieler, seitdem er als solcher von 1780 an seine musikalischen Reisen antrat. In Frankreich, namentlich zu Paris und Versailles, dann in Deutschland, in Holland, (vorzüglich in Amsterdam) Dännemark, Schweden, und eben so auch in England genoß er die schmeichelhafteste Aufnahme; ja, zu Eßlingen in Schwaben beehrte ihn der Magistrat mit dem, sonst nur Fürsten überreichten, Ehrenwein. Durch seine musikalischen Mahlereien auf der Orgel machte er das größte Aufsehen, erregte aber auch eben dadurch, daß er z. B. den Todt Leopolds in den Wellen – eine Seeschlacht – das jüngste Gericht – ferner einen Afrikanischen Leichenzug – das Terrassen-Stampfen der Afrikaner – den Einsturz der Mauern zu Jericho – die Spazirfarth aufm Rhein, vom Donnerwetter unterbrochen etc. etc. alles auf der Orgel mahlen wollte, das größte Mißbilligen, wohl oft auch die hämischsten Ausfälle der Kunstrichter. Als er von seinen Reisen zurückkam, ward er 1786 königl. Schwedischer Kapellmeister zu Stockholm, wo seine Opern: Athalie und Gustav Adolf unter großem Beifall aufgeführt wurden. Nach geendigter Dienstzeit – er war von Gustav III. nur auf 10 [346] Jahr engagirt worden – machte er wieder neue Reisen – wo er unter andern auch sein 30jähriges Priesterthum in Wien 1803 durch ein selbst componirtes Hochamt feierte – und neues Aufsehen, besonders durch sein Orchestrion (s. dies. Art.); ließ sich 1802 in Prag als Professor der Musik anstellen, und wurde endlich 1807 vom Großherzog von Hessen zum geistl. geheimen Rath mit dem Referat über Kirchenbau, Orgeln und das akustische Fach ernannt, wobei ihm denn auch zugleich der neue Hessische Orden ertheilt wurde. So wenig es auch hier erlaubt sein möchte, sich ein Urtheil über einen so ausgezeichneten Mann – gesetzt auch, daß der Vorwurf der Charlatanerie nicht ganz von ihm abgelehnt werden könnte – zu erlauben, so kann man doch wohl gewiß Voglern es nicht, ohne die größte Ungerechtigkeit zu begehen, streitig machen, daß er ein Theoretiker von den ausgebreitetsten Kenntnissen, ein großer Orgel- und Clavierspieler, und ein guter Componist ist. »Einen Epochenmacher in der Musik« nennt ihn selbst Schubart (s. Leipz. allg. mus. Zeit. Jahrg. VI. S. 274.), der ihm bei allem Tadel dennoch tiefe Einsichten, wahren philosophischen Geist zuschreibt, obgleich er auf der andern Seite Voglers Pedantismus, Steifheit und Kälte selbst ernstlich rügt. Seine Erfindungen, z. B. auch (außer dem Orchestrion) sein Simplificationssystem in Rücksicht der einfachern und halb so kostspieligen Einrichtung der Orgeln (wovon in den Nachtr. zu dem Art. Orgel die Rede sein wird) zeigt von seinen Kenntnissen; so wie jeder, der ihn gehört hat, seinem Spiele eben sowohl als seinen Compositionen, vorzüglich seinen trefflichen Messen den gerechten Beifall zollen wird.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 346-347.
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