Bernauer

[232] Bernauer (Agnes), eine Jungfrau von armer und niederer Herkunft, die Tochter des Baders Kaspar Bernauer zu Augsburg, war von so ausgezeichneter Schönheit und dabei so tugendhaft, daß sie in ihrer Vaterstadt nur der Engel genannt wurde. Unter Andern lenkte sie auch die Blicke des Herzogs Albrecht von Baiern, einzigen Sohnes des regierenden Herzogs Ernst auf sich, der, von ihrer Holdseligkeit angezogen, sich heimlich mit ihr vermählte, sie nach seinem Schlosse Vohburg brachte, wo er prunklos mit ihr lebte. Herzog Ernst hielt des Sohnes Leidenschaft für vorübergehend, da er um den wahren Hergang nicht wußte; als er ihn aber mit Anna von Braunschweig vermählen wollte und beharrliche Weigerung ihn belehrte, daß die Liebe zu Agnes stärker sei, als der Gehorsam gegen den väterlichen Willen, ergriff er harte Mittel, um Albrecht's vermeintliche Verblendung zu heilen. Es ward 1434 ein Turnier zu Regensburg veranstaltet und als Albrecht vor den Schranken erschien, ihm der Eintritt verweigert, weil er in unkeuscher Verbindung mit einer Jungfrau lebe. Umsonst schwur er, Agnes sei seine Gemahlin, man wies ihn ab. Entrüstet entfernte er sich, erklärte Agnes nun öffentlich zur Herzogin von Baiern, gab ihr entsprechende Dienerschaft und wies ihr die Burg von Straubing zum Wohnsitze an. So lange Albrecht's Oheim, der Herzog Wilhelm, lebte, blieb sie unangefochten, nach dessen Tode aber ließ sie Herzog Ernst in Abwesenheit Albrecht's verhaften, vor Gericht stellen und da sie alle Fragen mit der Erklärung abwies, sie sei ihres fürstlichen Herrn rechtmäßige Gattin, befahl der zornige Vater ihre schleunige Hinrichtung, unter dem Volke aber ward das Gerücht verbreitet, daß sie Albrecht Liebestränke beigebracht habe. Als ein Opfer damaligen Vorurtheils wurde sie am 12. Oct. 1435 vom Nachrichter gebunden auf die Donaubrücke bei Straubing geführt und von da in den Strom gestürzt. Da sie nicht gleich untersank und von den Fluten dem Ufer zugetragen wurde, erfaßte ein Henker mit einer Stange ihr langes, blondes Haupthaar und tauchte sie damit unter. Albrecht schwur auf die Nachricht dieser Unthat schreckliche Rache, verheerte einen Theil der Lande seines Vaters mit Feuer und Schwert, versöhnte sich aber später wieder mit ihm und ließ sich 1436 mit Anna von Braunschweig vermählen. Herzog Ernst selbst hatte über dem Grabe der Unglücklichen ein Betkirchlein erbauen lassen, Albrecht aber errichtete ihr in der Peterskirche zu Straubing ein marmornes Grabmal und erneuerte 12 Jahre nach ihrem Tode feierlich die Stiftung ewiger Seelenmessen und eines ewigen Lichtes für die »ehrsame Frau«, deren Andenken und unglückliches Schicksal noch zu Anfange des 16. Jahrh. in Liedern im Munde des Volkes fortlebte und später den Stoff zu einem 1780 zuerst erschienenen, eine Zeit lang sehr beliebtem Trauerspiele gab.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 232.
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