Chiromantie

Chiromantie

[416] Chiromantie heißt nach dem Griechischen die vermeintliche Kunst, aus den Linien und Zeichen der hohlen Hand die Lebensschicksale eines Menschen vorherzusagen.

Schon im Alterthume zeigten sich bei den morgenländischen Völkern Spuren derselben und ihre Verehrer haben sie später bald von Adam, bald von den vor der Sündflut um der Töchter der Menschen willen gefallenen Engeln hergeleitet, auch mußten aus dem Zusammenhang gerissene Bibelstellen zur Begründung derselben dienen. Araber, Chaldäer, Indier und Zigeuner bildeten die Chiromantie verschiedentlich aus, und durch Verbindung mit der Sterndeuterei, d.h. indem man die Bedeutung der Linien der Hand mit Dem in Einklang brachte, was die Astrologen von der Zukunft eines Menschen in den Gestirnen zu lesen meinten, erwuchs sie zu einer Wissenschaft, an der Jahrhunderte lang die besten Köpfe nicht zweifelten und über die noch zu Anfang des vorigen Jahrh. auf mehren deutschen Universitäten Vorlesungen gehalten wurden. Ja, nachdem die fortgeschritten. europ. Bildung das völlig Unbegründete dieser Wahrsagerei längst nachgewiesen und die Chiromānten oder Die, welche in dieser Kunst erfahren zu sein vorgaben, als Betrüger anzusehen gelehrt hat, haben sich bis auf die neueste Zeit noch Personen gefunden, welche der Durst, in die Zukunft zu sehen, zu verblendeten Anhängern derselben machte. Die Chiromanten schöpfen ihr angebliches Wissen von der Zukunft bald aus einer Hand, bald aus beiden, und bei den Arabern müssen auch Füße und Stirn weissagen helfen. Die Hand wurde zu dem Ende in die Handwurzel, Handfläche und die Finger geschieden, deren 12 Gelenke der gelehrte Chiromant mit den 12 Himmelszeichen, die sieben Hauptlinien der Hand mit den Planeten in Beziehung zu bringen wußte, welche diese Theile gleichsam beherrschen sollten. Die Linie, welche sich um die Wurzel des Daumens zieht, gilt für die Lebenslinie und aus ihr beurtheilt der Wahrsager die Dauer des Lebens; aus einer andern in der Mitte der Hand schließt er auf geistige Fähigkeiten und nennt sie die Kopflinie, weil sie mit dem Gehirn in genauer Verbindung stehen soll. Die dritte, mit der vorigen parallel unter den Fingern hinlaufende Hauptlinie heißt die allgemeine, und aus ihr soll zu ersehen sein, was dem Körper und seinen Gliedern etwa bevorsteht. Mit dem arab. Namen Rascette wird die Linie bezeichnet, welche Arm und Hand scheidet, von ihr aus aber geht nach dem Mittelfinger zu die Saturns- oder Glückslinie. Da diese Linien die vielfältigsten Abweichungen darbieten, war das Studium derselben auch ungemein schwierig, denn jede Verschiedenheit änderte die Bedeutung, die der verirrte menschliche Verstand hineinzulegen sich abmühte.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 416.
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