Dorf

[585] Dorf nennt man eine Anzahl auf dem Lande mehr oder weniger nahe zusammenliegender, meist zur Betreibung der [585] Landwirthschaft eingerichteter Häuser, deren Bewohner meist Bauern sind und eine Gemeinde bilden, und Dorfmarkung heißen sämmtliche zu einem Dorfe gehörende Grundstücke. Dörfer kommen schon im Mittelalter mit einer Gemeindeverfassung und eignen Gerichten vor und auch neuere Gesetze behandeln sie als Gemeinden, gestehen ihnen indeß weniger Vorrechte zu als den Städten. Zur Dorfgemeinde gehören alle Einwohner des Dorfes, welche den gewöhnlichen Gerichten unterworfen sind, doch haben sie in Gemeindeangelegenheiten nicht alle gleiches Stimmrecht; dieses steht in der Regel nur den angesessenen Bewohnern zu, auch haben bloße Miethleute oder sogenannte Einwohner, Einlieger keinen Antheil an dem Gemeindevermögen und am Genusse der Gemeindebesitzungen. Dagegen sind sämmtliche Dorfbewohner verbunden, zu den Gemeindelasten, z.B. zur Ausbesserung der Straßen, zur Herstellung der nöthigen Sicherheit durch Dorfwachen u.s.w. mit beizutragen, wenn diese nicht ausschließlich zum Vortheil eines Theils, z.B. der Angesessenen, gereichen. Die Dörfer haben auch in der Regel ihre eignen Vorsteher, Schulzen und Richter genannt, welche die Gemeinde selbst wählt oder auch die Gutsherrschaft ernennt, wo eine vorhanden ist. Ein Schulze muß nothdürftig lesen und schreiben können und in gutem Rufe stehen; er hat mit Zuziehung der Schöppen das Vermögen der Gemeinde zu verwalten, ihr die obrigkeitlichen Verfügungen bekannt zu machen und hauptsächlich auf Alles zu achten, was das gemeine Beste des Dorfes angeht. Er hat auf Befolgung der Dorf- und Landespoliceivorschriften zu halten, zu sorgen, daß die Grenzpfähle und Zeichen der Dorfmark nicht verändert werden, daß Nachtwächter und alle im Dienste des Dorfs stehende Leute ihre Schuldigkeit thun und bildet mit wenigstens zwei Schöppen oder Gerichtsmännern, den Dorfgerichtspersonen, die Dorfgerichte, welche die niedere Policei ausüben und in manchen Fällen, z.B. bei Criminalsachen, als Beisitzer zugezogen werden, um gerichtlichen Handlungen größere Glaubwürdigkeit zu geben. In manchen Ländern, z.B. in Sachsen, ist die Würde des Dorfrichters erblich mit dem Besitze eines gewissen Gutes verbunden, welches dafür bestimmte Vortheile, z.B. die Schankgerechtigkeit, genießt. Ist indeß der Besitzer zur Verwaltung des Amtes nicht fähig, so muß er auf seine Kosten einen tüchtigen Stellvertreter schaffen, dessen Bestätigung bei der vorgesetzten Behörde nachzusuchen ist. In den meisten Ländern sind die Dörfer in Bezug auf Handel und Gewerbe noch mannichfachen Beschränkungen unterworfen und in Sachsen ist z.B. nur der Handel mit landwirthschaftlichen Producten den Dorfbewohnern ganz frei gegeben, jeder andere Großhandel aber verboten, Kleinhandel insofern gestattet, als sich auf jedem Dorfe ein Krämer, Land- oder Dorfkrämer, niederlassen darf, welcher indeß nur mit einigen, den Landbewohnern unentbehrlichen Bedürfnissen handeln, auch keine Diener und Lehrlinge halten darf. Auch sollen auf dem Lande von Handwerkern nur Zimmerleute, Maurer, Schneider, Grob- und Hufschmiede, sowie Wagner oder Stellmacher geduldet werden und zwar von jedem dieser Handwerker nur ein Meister in jedem Dorfe; diese Dorf- oder Landmeister dürfen aber nicht in die Städte arbeiten. Dergleichen mit geläuterten staatswirthschaftlichen Grundsätzen unvereinbare, aus der Übermacht, welche die Städte in frühern Zeiten durch ihren Reichthum erlangten, herstammende Beschränkungen der Gewerbsfreiheit sind in manchen Staaten, z.B. in Preußen, bereits zusammengefallen; auch ist die Gesetzgebung überall darauf bedacht, durch zeitgemäße Gemeinde-oder Dorfordnungen die Verhältnisse der Landbewohner besser zu ordnen. (S. Bauernstand und Gemeinde.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 585-586.
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