Landwirthschaft

[697] Landwirthschaft ist der allgemeinste Name desjenigen Gewerbes, welches sich vorzugsweise mit Anbau der Feldfrüchte und mit Betreibung der Viehzucht beschäftigt. Man kann einen allgemeinen und einen speciellen Theil der Landwirthschaft unterscheiden. Jener, die Haushaltungskunde oder Ökonomie der Landwirthschaft, handelt von dem Verhältniß der Production (Hervorbringung) zu den producirenden (erzeugenden) Kräften, von der Art und Weise, den Werth eines Landguts zu bestimmen, von den Verhältnissen, in denen Ackerland und Dünger, Dünger und Viehstand, Fütterung u.s.w. stehen, von der landwirthschaftlichen Buch- und Rechnungsführung, von der Arbeit des Zugviehes, des Gesindes, der Tagearbeiter im Vergleich mit den Kosten, welche sie verursachen, u.s.w. Die specielle Landwirthschaft oder Productionslehre zerfällt wieder in die Lehre vom Ackerbau oder vom Pflanzenbau und in die Lehre von der Viehzucht. Zum Ackerbau (der auch Landbau, Feldbau, Feldwirthschaft genannt wird) gehört die Bodenkunde oder Agronomie, denn auf die Beschaffenheit des Bodens kommt es wesentlich an, welche Art von Pflanzen auf demselben mit Vortheil angebaut werden kann. Hieran schließt sich dann die Ac kerbestellungskunst oder Agricultur, welche lehrt, wie der Boden zur Hervorbringung der verschiedenen Pflanzenarten geschickt gemacht, wie er durch andere Erdarten, durch Trockenlegung, Bewässerung verbessert werden muß, wie er ferner durch die Düngung in seiner Fruchtbarkeit unterstützt wie er mit den verschiedenen Ackerbaugeräthschaften behandelt, wie und wann besäet, bepflanzt wird u.s.w. Aufs genaueste hängt mit der Ackerbestellungskunde dann weiter die Kenntniß von der Beschaffenheit und Behandlungsart der einzelnen Kräuter und Fruchtgräser zusammen. Der Weinbau, der Gartenbau, das Forstwesen können auch als Theile des Ackerbaus im weitesten Sinne betrachtet werden. Nicht nur von der Düngung und Bearbeitung des Ackers hängt der Ertrag, welchen derselbe liefert, ab, sondern auch von der Reihenfolge (dem Umlauf, Turnus, der Rotation), in welcher die verschiedenen Gewächse, welche der Landwirth anbaut, auf demselben erzeugt werden. Man unterscheidet in dieser Beziehung verschiedene Ackerbausysteme. So wird bei der Dreifelderwirthschaft das sämmtliche Ackerland in drei gleich große Theile oder Felder abgetheilt, welche abwechselnd brach liegen oder mit Winter-oder mit Sommergetreide bestellt werden, daher Winter-, Sommer- und Brachfeld heißen. Auf diese Weise wird jedes Feld zwei Jahre bebaut und liegt ein Jahr brach, während welches Jahres es drei- bis fünfmal gepflügt, geeggt, wol auch gedüngt wird. Das sämmtliche Vieh wird während des Sommers geweidet, theils auf dem Brachfelde, theils auf Außentriften. In fruchtbaren und stark bevölkerten Gegenden mußte man daran denken, auch aus dem Brachfelde noch Nutzen zu ziehen, und so baute man auf ihm die sogenannten Brachfrüchte (Hülsenfrüchte, Klee, Rüben, Kartoffeln, Hanf, Lein u. dgl.) an; als ferner die Außentriften immer mehr zum Ackerlande gezogen wurden, so mußte man auch wieder für Stallfütterung besorgt sein. Auf diese Weise entstand die verbesserte Dreifelderwirthschaft, welche noch gegenwärtig die in Mitteldeutschland allgemein herrschende ist. Einen längern, wenigstens vierjährigen Turnus hat die Fruchtwechselwirthschaft. Es ist ihr namentlich eigenthümlich, daß der Regel nach nie zwei Halmfrüchte unmittelbar nacheinander angebaut werden, sondern immer eine Brachfrucht zwischen eingeschoben wird. Man beobachtet also z.B. folgende Ordnung: Raps, Wintergetreide, Kartoffeln, Gerste, Klee, Erbsen, Hafer, Weideklee u.s.w. Sie ist besonders in England üblich und hat den Vorzug, daß sie nach Beschaffenheit des Bodens und nach sonstigen Bedürfnissen sehr mannichfaltig sich abändern läßt, auch der Viehzucht sehr günstig ist. Die Koppel-oder Schlagwirthschaft ist besonders in Holstein und Mecklenburg üblich und besteht darin, daß das Ackerland in 6–14 gleich große Felder (Koppeln oder Schläge) getheilt wird, von denen jedes 2–6 Jahre hintereinander unaufgebrochen liegen bleibt und nur zum Graswuchs, namentlich zur Sommerweide, für das Vieh benutzt wird, dann aufgebrochen und mehre Jahre besonders zur Halmfrucht gebraucht wird. – Zur Viehzucht gehört namentlich die Rindvieh-, Pferde-, Schaf-, Schweine-, Ziegen-, Kaninchen-, Geflügel- und Bienenzucht, wol auch die Seidenwürmerzucht, die Fischerei und die Jagd.

Die Landwirthschaft ist unstreitig dasjenige Gewerbe, welches der Wohlfahrt eines jeden Volks zu Grunde liegt, weil es für die ersten und nothwendigsten Bedürfnisse des Menschen sorgt und auch zur Betreibung der meisten übrigen Gewerbe das Material herbeischafft. Daher erfodert dieses Gewerbe [697] auch eine vorzügliche Pflege und Aufmerksamkeit, welche ihm lange Zeit nicht zu Theil geworden ist, weil man den Stand des Ackerbauers und Viehzüchters mit thörichten Vorurtheilen betrachtete. Erst in den neuern Zeiten hat man angefangen, die Landwirthschaft nicht nur handwerkmäßig, d.h. nach überlieferten Gewohnheiten zu betreiben, sondern hat sie zum Gegenstande wissenschaftlicher Pflege gemacht. Dieses ist um so nöthiger gewesen, als die Anzahl der Menschen und ihrer Bedürfnisse sich ungemein gesteigert hat und derselbe Boden jetzt Tausende reichlich ernähren soll, wo in frühern Zeiten nur Hunderte eine nothdürftige Nahrung suchten, und als auch der Stand der Ackerbautreibenden selbst allmälig zu höhern Lebensbedürfnissen erwacht und daher einen größern Nutzen aus seiner Thätigkeit ziehen will. In dieser Beziehung haben nicht nur einzelne Männer, wie Fellenberg (s.d.), Thaer (s.d.) u. A. segensreich gewirkt, sondern es sind auch zur Ausbildung tüchtiger und gebildeter Landwirthe eigne Landwirthschaftsschulen errichtet worden. Fellenberg errichtete die erste solche Anstalt in Hofwyl, Owen, Rumjanzow und Andere brachten dann größere Anstalten zu Stande. Während es in diesen Schulen mehr auf praktische Übung abgesehen ist, haben dagegen die höhern landwirtschaftlichen Lehranstalten vorzugsweise die Theorie der Landwirthschaft und die zu derselben gehörigen Hülfswissenschaften, Mathematik, Naturkunde, Baukunst, Thierarzneischule u.s.w. zum Gegenstande. Solche Anstalten sind in Braunschweig, Hohenheim, Idstein, Jena, Mögelin, Tharand u.s.w.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 697-698.
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