Magellone

[14] Magellōne (die schöne) heißt eine kindlich heitere und rührende Erzählung, welche in Frankreich, in Deutschland seit dem 16. Jahrh., in Spanien, Schweden und Polen als Volksbuch verbreitet und deren Ursprung ein franz Ritterroman ist, dessen Verfasser im 11. oder 12. Jahrh. ein provenzalischer Minnesänger war. M. heißt die reizende Tochter des Königs von Neapel, wohin Peter, Sohn des Grafen von Provence, kommt, die Prinzessin beim Turniere sieht, sie liebt und von ihr anfangs unerkannt wieder geliebt wird, obgleich ihr Vater schon einen Eidam für sie gewählt hat. Sie tritt durch ihre Amme in Verbindung mit Peter, der ihr drei kostbare Ringe schenkt, welche er von seiner Mutter für seine künftige Geliebte erhalten hatte, und sie endlich entführt. Während sie eines Tages unterwegs ruhen und M. schläft, zieht Peter ihr neugierig ein Stück rothen Zindel aus dem Busen und findet darin seine drei Ringe. Plötzlich aber entführt Zindel und Ringe ein Rabe, den Peter verfolgt und der sich auf eine aus dem nahen Meere ragende Klippe damit flüchtet, wohin der Ritter in einem gebrechlichen, am Gestade gefundenen Kahne zu gelangen sucht, damit aber in die offene See verschlagen, endlich von Seeräubern gefangen und dem Sultan geschenkt wird. Bald sieht er sich von dessen Tochter geliebt und flieht vor ihr in einem Nachen aufs Meer, trifft glücklich ein christliches Schiff, wird aber auf der Heimfahrt schlafend auf einer wüsten Insel vergessen, endlich aber krank und matt von Fischern gefunden und in ein Hospital gebracht. Grade in diesem hatte sich die verlassene M. nach langem Umherirren der Krankenpflege gewidmet, erkannte sogleich den Geliebten, gab sich ihm aber erst, nachdem sie seine Treue erkannt, zu erkennen. Beide zogen nun an den Hof von Provence, vermählten sich und versöhnten endlich den König von Neapel. Auch Ludw. Tieck hat im ersten Theile seines »Phantasus« diese Geschichte bearbeitet, der vielleicht wahre Begebenheiten zum Grunde liegen, indem es bei Marseille ein Grab der schönen M. und eine nach ihr benannte Insel gibt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 14.
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