Politik

[525] Politik. Dieser Ausdruck wird im gewöhnlichen Leben und in der Wissenschaft in der mannichfachsten Bedeutung [525] gebraucht. Bald versteht man darunter ganz allgemein Klugheit und Verschlagenheit der Handlungsweise, und setzt diese Politik der Moral und dem Recht entgegen. So sagt man, Der oder Jener hat sich sehr politisch, aber nicht rechtlich benommen und auch die Sitte, Jemand als einen Politicus zu bezeichnen, hängt damit zusammen. In der Regel denkt man aber bei dem Ausdrucke Politik an Staatsverhältnisse, spricht von der Politik dieses oder jenes Cabinets und versteht darunter die Grundsätze, welche dasselbe in seinen Verhältnissen zu andern Staaten oder auch bei der Regierung des eignen Staates beobachtet. Politiker heißt daher oft so viel wie Staatsmann, doch nennt man auch Den so, welcher sich viel um die öffentlichen Ereignisse der Gegenwart und die Beziehungen der verschiedenen Staaten zueinander bekümmert und die Motive der Handlungsweise verschiedener Regierungen mit einiger Geschicklichkeit und Wahrscheinlichkeit auseinander zu setzen versteht. Eine Abart davon ist der sogenannte politische Kannegießer, welcher viel, aber ohne Einsicht über Politik redet, was man auch Kannegießern nennt. In der Wissenschaft sind es hauptsächlich zwei Begriffe, die man mit dem Worte Politik verbindet, worunter man im weitern Sinne die ganze Staatswissenschaft, im engern Verstande aber nur den Theil derselben versteht, welcher den Zusammenhang zwischen dem innern und äußern Staatsleben nach den Grundsätzen des Rechts und der Klugheit darstellt. Die Lehre von dem innern Staatsleben handelt: 1) von der Cultur des Volks, deren äußere Ankündigung die Volksthümlichkeit und deren zu erzielendes Resultat die politische Mündigkeit ist; 2) von dem Organismus des Staates in Bezug auf Verfassung, Regierung und Verwaltung und der rechtlichen Fortbildung desselben. Die Lehre von dem äußern Staatsleben enthält ferner die Grundsätze für die Wechselwirkung und Verbindung des einzelnen Staates mit den übrigen neben ihm bestehenden und für die Anwendung des Zwanges nach angedrohter oder erfolgter Rechtsverletzung (Retorsionen, Repressalien und Krieg). Das Wohl eines Staates ist nur dauerhaft zu begründen, wenn er nach außen und nach innen die Gesetze der Gerechtigkeit und Billigkeit beobachtet, und dasselbe sprachen 1815 sowie 1818 auf dem Congresse zu Aachen die Stifter der h. Allianz (s.d.) aus, indem sie erklärten, daß die innere und äußere Politik christlich sein müsse und daß nur die Grundsätze des Völkerrechts künftig die Richtschnur ihrer Staatskunst sein sollten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 525-526.
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