Provence

[590] Provence (die), eine der ehemaligen 16 Provinzen Frankreichs, umfaßt den südöstl. Theil desselben und die jetzigen Departements der Rhonemündungen, der Niederalpen, des Var und einen Theil von dem der Vaucluse. Den nördl. Theil dieser Landschaft machen mehre von den cottischen Alpen aus Piemont herüber ziehende Gebirgsäfte, Alpinen genannt, rauh und bergig; auch der östl. Theil der mittlern Gegenden ist von meist kahlen Felsenbergen durchzogen, der westl. aber und die Gegenden am Meere sind eben, mitunter sumpfig und haben ein sehr heißes Klima. An der Westgrenze entlang fließt der Rhone, zwischen dessen östl. Arme und dem Meerbusen von Berre eine 18 ! M. große Ebene, die Crau genannt, liegt, welche ganz mit abgerundeten Steingeschieben bedeckt ist. Von O nach W. wird die P. von der reißenden Durance durchflossen, die unterhalb Avignon in den Rhone fällt; an der Ostgrenze fließt der Var. In den nördl. Gegenden ist der steinige und magere Boden dem Ackerbau sehr ungünstig, doch wird namentlich in den mildern mittlern Landstrichen außerordentlich viel Obst von besonderer Güte gebaut, wie z.B. die berühmten getrockneten Pflaumen von Brignoles oder sogenannten Prunellen. Mandeln, viele Oliven, aus denen das vorzüglich gute Provenceröl bereitet wird, treffliche Weine, Feigen und Südfrüchte in größerer Menge als in irgend einem andern Theile von Frankreich, gedeihen in den günstigern Lagen und machen wichtige Gegenstände des Handels aus. Sehr einträglich sind auch Seidenbau, Fischerei, Schafzucht und Bienenzucht; berühmt sind die hier gefundenen Trüffeln. Der Gewerbfleiß ist nicht umfänglich und auch in den Städten sind wenig Fabriken, Handel und Schiffahrt aber sind sehr wichtig; dem Bergbau ist der Holzmangel sehr hinderlich. Die Einw., die Provenzalen, unterscheiden sich durch manche Eigenthümlichkeit von den übrigen Franzosen, sprechen unter sich eine eigenthümliche Mundart, das einst über ganz Südfrankreich, einen Theil von Italien und von Spanien verbreitete Provenzalische, haben einen sehr reizbaren, heftigen Charakter und während der franz. Revolution von 1789 wurden hier die furchtbarsten Grausamkeiten begangen; untersetzte Statur und scharf ausgeprägte Gesichtszüge zeichnen besonders die untern Stände aus. An der Küste der Provence siedelten sich frühzeitig ausgewanderte Griechen an und erbauten namentlich Marseille (s.d.), mußten aber endlich gegen die einheimische Bevölkerung den Beistand der Römer ansprechen, die um 120 v. Chr. sich diese Gegenden unterwarfen und vorzugsweise Provincia (erobertes Land) nannten, woher der Name P. rührt. Beim Verfall des röm Reichs geriethen diese Gebiete seit 419 unter die Herrschaft der Westgothen, die auch Spanien eroberten, und denen die Ostgothen, theilweise die Burgunder folgten, welchen wieder die Franken diese Provinz entrissen. Nach vielfachem Wechsel der Verhältnisse ward die P. Bestandtheil des zweiten burgund. oder arelatischen Königreichs (s. Burgund), welches durch Erbschaft 1032 dem deutschen Kaiser Konrad II. zufiel, was die P. lange zu einem deutschen Lehn machte, bis der Bruder des franz. Königs Ludwig IX., Karl von Anjou, sie durch Heirath an sich brachte und dieselbe nach dem Erlöschen des Hauses Anjou 1481 mit Frankreich vereinigt wurde. Früher als namentlich in den nördl. Gegenden von Frankreich, erfreuten sich die P. und die angrenzenden Südprovinzen bis Italien und nach Spanien hinein ausgezeichneter wissenschaftlicher Bildung. In provenzalischer Sprache, welche eine Art Mitte zwischen der ital., franz. und span. hält und mit großem Reichthum an beredten Wort- und Satzformen ungemeine Biegsamkeit und Wohllaut vereinigt, fangen eine Menge Dichter schon im 12. Jahrh.; die Troubadours (s.d.) zogen als willkommene Gäste an den Höfen der Fürsten und auf den Burgen des Adels umher, und die provenzalischen Dichter wurden von den deutschen Minnesängern, und noch von spätern ital. Dichtern als Vorbilder betrachtet. Gegen Ausgang des 13. Jahrh., während dessen die P. auch durch die Kriege gegen die Albi genser (s.d.) zu leiden hatte, fing die provenzal. Dichtkunst an zu verfallen, und die nordfranz. Sprache Eingang zu gewinnen; im 14. Jahrh. verstummte die erste ganz, und das heutige Französisch ward seitdem zur herrschenden Mundart.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 590.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: