Reutlingen

Reutlingen

[684] Reutlingen, die Hauptstadt des gleichnamigen Oberamtes im Schwarzwaldkreise und eine der gewerbsamsten Städte des Königreichs Würtemberg, hat über 10,000 Einw., liegt zwei Stunden von Tübingen an der Echaz in einer fruchtbaren Ebene am Fuße der Achalm, eines Berges, auf dessen Gipfel unbedeutende Trümmer der Stammburg der gleichnamigen Grafen zu sehen sind, und ist der Sitz der Regierung und Finanzkammer des Kreises.

Wein- und Ackerbau, Fabriken von Leder-, Metalle, wollenen und baumwollenen Waaren, aber auch der berüchtigte Betrieb des Nachdrucks sind die wesentlichsten Erwerbsquellen der Bewohner. Der frühere Umfang von R., welches 1240 mit einem 3/4 Meilen großen Gebiete zur freien Reichsstadt erklärt wurde, hat sich namentlich durch den großen Brand von 1726 sehr vermindert. Unter den vier protestantischen Kirchen zeichnet sich die hier dargestellte, schöne gothische Marienkirche mit ihrem 325 F. hohen, zierlich durchbrochenen Thurme aus. Sie ist zugleich ein Beweis des frühern Wohlstandes und soll der Sage zufolge grade nach der Länge des Sturmbockes erbaut worden sein, welchen Landgraf Heinrich VII. [684] von Thüringen vor R.'s Mauern zurücklassen mußte. Auch durch den Widerstand, welchen die Stadt seit 1376 dem Grafen Eberhard von Würtemberg leistete, gegen den sie 1377 eine Schlacht gewann, in der 86 Ritter fielen, machte sie sich im Mittelalter einen Namen. Später gehörte sie zum schwäb. Bunde, welcher daher, als R. 1519 von Ulrich von Würtemberg bekriegt und eingenommen wurde, diesen dafür aus seinem Lande vertrieb. Im J. 1530 war R. unter den wenigen Reichsstädten, welche die augsburg. Confession unterschrieben; seine Reichsfreiheit verlor es im Folge des luneviller Friedens und ward durch den Reichsdeputationshauptschluß (s. Reich) von 1803 Würtemberg überlassen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 684-685.
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