Reutlingen

[83] Reutlingen, 1) Oberamt im württembergischen Schwarzwaldkreise; 4,1 QM., 29,300 Ew.; 2) Hauptstadt des Schwarzwaldkreises u. des Oberamtes an der Echaz u. am Fuße der Schwäbischen Alp; durch Zweigbahn von Rottenburg u. Tübingen nach Plochingen mit der Württembergischen Hauptbahn (Bruchsal-Stuttgart-Ulm-Friedrichshafen) verbunden; 4 lutherische Kirchen (darunter gothische Marienkirche), Rathhaus, Lyceum, Realschule, Hospital, Waisenhaus u. andere Stiftungen, Fabriken in gewebten Waaren, Tuch, Leim, Hüten, Pulver, Seife, Papier u. dgl.; viel Gerbereien, Bleichen, Färbereien, Brauereien; Sitz der Kreisregierung u. der Finanzkammer. R. ist der Geburtsort von Friedrich List, dem auch 1850 hier ein Denkmal errichtet wurde. Wappen von Blau, Roth u. Weiß dreifach getheilt; 12,700 Ew. In der Nähe Weinbau; hier Schwefelquellen von 10° zum Trinken u. Baden, mit schönem Badegebäude. Dabei Burg u. Berg Achalm, 2180 Fuß, u. Schloß Lichtenstein (s.d.). – R. wurde von Friedrich II. 1240 zur Reichsstadt ernannt. Die Einwohner hielten es mit den Schwäbischen Kaisern u. vertheidigten sich glücklich gegen deren Gegner, bes. gegen Heinich Raspe, welcher sie belagerte. Auch mit Eberhard von Württemberg hatten sie 1376 Fehde u. lieferten ihm 1377 ein Treffen bei Achalm; auch 1388 waren sie bei Weil Sieger. R. besaß seit 1305 ein Asylrecht für unfreiwillige Todtschläger u. seit 1506 das Recht keine Juden aufzunehmen. 1498 löste Kaiser Maximilian I. das drückende Verhältniß zur Voigtei Achalm u. gab ihr mehre Vorrechte. 1505 begab es sich unter württembergischen Schutz; 1519 nahm Herzog Ulrich von Württemberg R. ein, doch vertrieb der Schwäbische Städtebund den Herzog wieder; s.u. Württemberg (Gesch.). 1530 unterschrieb R. die Augsburgische Confession, Matth. Auber, einer der ersten württembergischen Reformatoren, war in R. Prediger. 1613 litt es durch Herzogs Bernhard von Weimar Armee viel. 1726 große Feuersbrunst. Durch den Reichsdeputationsreceß von 1803 verlor R. die Reichsfreiheit u. kam[83] durch den Reichsdeputationshauptschluß an Württemberg. Am 27. Decbr. 1852 flog die Pulvermühle auf u. zerstörte viele Häuser der Stadt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 83-84.
Lizenz:
Faksimiles:
83 | 84
Kategorien: