Ssûfismus

[258] Ssûfismus ist der Name einer Art des Mysticismus und der religiösen Schwärmerei im Orient, namentlich in Persien, deren Anhänger Ssufi, d.h. Wollebekleidete heißen, von dem arab. Worte Ssuf, d.i. Wolle, weil wollene Gewänder die Kleidung dieser Religiosen ausmachen. Das Eigenthümliche des Ssufismus besteht darin, daß er vermittels der Zurückziehung von der Welt und der innern Einkehr die Seele zur Vereinigung mit Gott erheben will, die ihm auf der höchsten Stufe der Vollkommenheit der Zustand eines seligen Selbstvergessens und eines gänzlichen Vernichtetseins in Gott ist. Hierzu führt die Voraussetzung, daß die Seele ein Ausfluß des göttlichen Wesens, mithin die Verbindung mit demselben das höchste Ziel sei, und hieraus folgt, daß der Ssufi im Zustande dieser Vereinigung jeden Unterschied des Lebens als aufgehoben, und Sinnliches und Geistiges, Gutes und Böses, Mensch und Thier als sich untereinander ganz gleich ansieht. Dennoch wird an den Ssufis, so nahe auch dieser Ausschweifung im Denken eine Verirrung im sittlichen Handeln liegt, sittlicher Ernst und Strenge des Lebens gerühmt. Auch sind es nicht Jünglinge und Männer, die diesem Mysticismus huldigen, der, ohne verständliche Worte und klare Begriffe, das Überschwengliche und Selige seiner mystischen Zustände und Vereinigungen mit Gott am liebsten unter den Bildern sinnlicher Umarmungen und des Rausches und Taumels von Getränken vorstellt und ausspricht; sondern es ist vorzugsweise das nüchterne und besonnene Alter, die Weisen und Dichter des Volkes, die den Ruhm dieser Weisheit gefunden haben und behaupten. Um sie, als die Erleuchteten und Heiligen, versammeln sich aus allen Ständen Jünglinge und Männer, um unter ihrer Leitung zu einer gleichen Stufe der Vollkommenheit emporzustreben, und solche religiöse Gemeinschaften stehen bei dem Volke in dem größten Ansehen. Der geschichtliche Ursprung des Ssufismus, von welchem in verschiedenen morgenländ. Sprachen eine reiche und alte Literatur vorhanden ist, führt sich bis in das 9. Jahrhundert zurück, wo ein Moslemin Said abul chair zuerst eine Anzahl solcher Mystiker zu einem religiösen Verbande vereinigt haben soll, obwol er nach dem Inhalte seiner Lehren ältern, nämlich ind., Ursprungs ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 258.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika