Theseus

Theseus

[413] Theseus, nächst Hercules der berühmteste Heros des alten Griechenlands, lebte zur Zeit des Argonautenzuges, an welchem er Theil genommen haben soll, also im 13. Jahrh. v. Chr.

Er war der Sohn des Ägeus, Königs von Attika, und der Äthra, einer Tochter des Königs von Trözen. Väterlicher Seits wurden seine Vorfahren bis auf Vulcan und mütterlicher Seits bis auf Tantalus und Jupiter zurückgeführt. T. wurde von seiner Mutter in Trözen erzogen und als er zum Jünglinge erwachsen war, von ihr zu Ägeus nach Athen geschickt. Auf dem Wege dahin befreite er die Welt von verschiedenen Ungeheuern und Missethätern. Unter den Letztern war auch Prokrustes (s.d.). Als er in Athen angekommen war, wollte ihn seine Stiefmutter Medea durch Gift aus dem Wege räumen, doch Ägeus erkannte den Sohn an dem Schwerte, welches er einst in Trözen zurückgelassen hatte, und T. machte sich bald gefürchtet, indem er seine und seines Vaters Gegner, die Pallantiden, besiegte, auch den marathonischen Stier, ein die Umgegend von Athen verwüstendes Ungeheuer, erschlug. Allgemeine Verehrung erwarb er sich durch Besiegung des Minotaurus im kretischen Labyrinth. Die Athener mußten nämlich dem Könige Minos von Kreta, welcher sie früher einmal besiegt hatte, einen regelmäßigen Tribut von einer Anzahl von Jünglingen und Jungfrauen schicken, mit welchen das Ungeheuer Minotaurus, das sich im Labyrinth aufhielt, gefüttert wurde. T. ließ sich unter die Jünglinge aufnehmen, welche das nächste Mal geopfert werden sollten. Ehe er von Athen abreiste, versprach er seinem greifen Vater, bei seiner Rückkehr die schwarze Flagge, welche das Schiff, das den traurigen Tribut nach Kreta brachte, führte, mit einer weißen zu vertauschen, wenn ihm der Sieg und damit die Befreiung des Vaterlandes von dieser schändlichen Abgabe gelänge. Doppelt war die Gefahr, welcher sich T. aussetzte, er konnte sich in dem Labyrinth verirren und von dem Minotaurus umgebracht werden. Jener Gefahr entging T. durch die List der Ariadne, dieser durch seine Stärke und Tapferkeit. Ariadne war eine Tochter des Minos; sie gab dem T. einen Knäuel, den er abrollte, während er die Gänge und Gemächer des Labyrinths durchschritt, um, dem Faden folgend, den Rückweg zu finden. Er kämpfte mit dem Minotaurus und besiegte ihn. Darauf verließ er Kreta, indem er die Ariadne und deren jüngere Schwester Phädra mit sich von dannen führte. Die Ariadne verließ er, während sie schlummerte, auf der Insel Naxos. T. hatte vergessen, seinem Versprechen gemäß die schwarze Flagge seines zurückkehrenden Schiffes mit einer weißen zu verwechseln, und sein Vater Ägeus, der auf einer Klippe am Meere des Schiffes harrte, stürzte sich in das Meer, weil er aus der schwarzen [413] Flagge den Tod seines Sohnes zu erkennen glaubte. Seitdem hieß jenes Meer das ägeische. Nachdem T. den erledigten Thron eingenommen hatte, traf er bald die weisesten Maßregeln, um seine Herrschaft zu befestigen und auszudehnen und zugleich durch Gesetze für Sicherheit und Ordnung im Staate zu sorgen. Man führte später auf ihn den Anfang des atheniens. Staatslebens zurück. Er gründete das Volksfest der Panathenäen und die isthmischen Spiele. Seine Thatenlust führte ihn indeß bald zu neuen kriegerischen Unternehmungen. Er schloß eine innige Freundschaft und Waffenbrüderschaft mit Pirithous, dem Könige der Lapithen, nahm Theil am Argonautenzuge, an der Jagd gegen den kalydonischen Eber und kämpfte mit den Amazonen. Die Königin derselben, Antiope, gebar von ihm einen Sohn, den Hippolyt. Vom Pirithous zu dessen Hochzeit geladen, war er Zeuge, wie ein Centaur die Braut desselben beleidigte, und er half seinem Freunde bei dem Kampfe, welcher mit Vertreibung der Centauren vom Pelion endigte. Die Gemahlin des Pirithous starb und dieser kam zum T. nach Athen. Sie entführten nun gemeinschaftlich die Helena und wagten es sogar, auf den Raub der Proserpina auszugehen. Sie gingen in die Unterwelt, um die Beherrscherin derselben zu erobern, aber ihr übermüthiges Unternehmen mislang, indem sie gefangen wurden. Hercules erbat zwar nachmals die Freiheit des T., aber Pirithous blieb mit 300 Ketten belastet zurück. Andere erzählen, daß er von dem Höllenhunde Cerberus zerrissen worden sei. Als T. zurückkehrte, fand er die Phädra (s.d.), welche er zu seiner Gemahlin gemacht hatte, todt, wurde selbst die Ursache des Todes seines Sohnes Hippolyt und mußte Athen, welches sich empört hatte, verlassen. Er ging zu dem Könige von Skyros, Lykomedes, welcher ihn hinterlistig von einem Felsen ins Meer stieß. Andere lassen ihn freiwillig von dem Felsen sich herabstürzen. Die Athener sühnten später das dem T. angethane Unrecht, indem sie ihn zum Halbgott erhoben, ihm einen herrlichen, hier abgebildeten Tempel erbauten und sein Andenken durch ein jährliches Volks. fest feierten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 413-414.
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