Uhland

[509] Uhland (Joh. Ludw.), geb. 1787 zu Tübingen, gehört in literarischer Beziehung als einer der ersten unserer vorzüglichsten lyrischen Dichter und auch hinsichtlich seiner uneigennützigen und freimüthigen politischen Wirksamkeit als Abgeordneter bei der würtemberg. Kammer, zu den ausgezeichnetsten unserer deutschen Zeitgenossen. U.'s Vater war Secretair der Universität zu Tübingen, wo auch U. seine Schulbildung erhielt, dann die Rechte studirte, Advocat wurde und sich 1810 die juristische Doctorwürde erwarb. Nachdem er seit 1812 eine Zeit lang in Stuttgart im Bureau des Justizministeriums angestellt gewesen, wurden die wiederholt unterbrochenen Verhandlungen zwischen den Ständen und König Friedrich I. wegen der von ihm 1815 den Würtembergern versprochenen neuen Verfassung (s. Würtemberg) der Anlaß, daß U. öffentlich sich über des Landes Ansprüche vernehmen ließ. Das Oberamt Tübingen wählte ihn hierauf 1819, die Stadt 1820 zum Abgeordneten in die Kammer, von der er wieder in den engern ständischen Ausschuß berufen wurde. Seine Stimme war in diesen Verhältnissen stets dem zeitgemäßen Fortschritt gewidmet, jedoch ohne daß er als Redner eine ausgezeichnete Stelle einnahm; als aber in Folge der im J. 1830 auch in Deutschland vorgekommenen Aufregung und den später vom deutschen Bunde deshalb gefaßten Beschlüssen, das Verhältniß zu demselben auch beim würtemberg. Landtage Gegenstand von Verhandlungen wurde, trat U. entschieden mit an die Spitze der Opposition und von ihm, als Berichterstatter der staatsrechtlichen Commission, war die Adresse verfaßt, durch welche die Kammer sich im März 1833 gegen Anträge der Art verwahrte, wie einer von der Regierung auf Verwerfung »mit verdientem Unwillen«, hinsichtlich einer Motion des Abgeordneten Pfizer über die Bundesbeschlüsse vom 28. Jun. 1832 gestellt worden war. Nach Auflösung der Kammer ward U. von Stuttgart wieder gewählt und da ihm in seiner Eigenschaft als außerordentlicher Professor der deutschen Sprache und Literatur, als welcher er 1829 in Tübingen angestellt worden, die Regierung den Urlaub verweigerte, legte U. 1833 diese Stelle nieder, um nicht am Eintritt in die Kammer gehindert zu sein. Als Dichter war U. seit 1804 bekannt, doch erst 1814 erschien die erste Sammlung seiner Gedichte, die seitdem wiederholte Ausgaben (12. vermehrte Aufl., Stuttg. 1839) erlebt haben und sich ebenso durch echtdeutsche Innigkeit und Tiefe des Gefühls, Vielseitigkeit und Frische der Auffassung, wie durch anmuthige Nachklänge der kindlich einfältigen Weise altdeutscher Volkspoesie, begeisterte Behandlung vaterländischer Stoffe und patriotischer Ideen und glückliche und leichte Nachbildung poetischer Formen des Südens auszeichnen. Minder gelungen sind U. einige dramatische Werke (»Herzog Ernst von Schwaben«, Heidelb. 1817; »Ludwig der Baier«, Berl. 1819), obgleich sie keineswegs eigenthümlicher Vorzüge entbehren; wie schön aber der Dichter und gelehrte [509] Forscher in U. vereinigt sind, beweisen die Darstellung des Lebens und Dichtens von »Walter von der Vogelweide« (Stuttg. 1822) und sein neuestes Werk »Der Mythus von Thor« (Stuttg. 1836), das dem Gebiete der nord. Mythologie angehört.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 509-510.
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