Uhr

[510] Uhr wird ein Werkzeug zur Eintheilung und zum Abmessen der verlaufenden Zeit genannt, wozu man in der frühesten Zeit, wie noch jetzt bei den wilden Völkern, keine andern Mittel wie den Stand der Sonne und der Sterne, sowie die Länge der Schatten kannte. Später wurden zuerst die Sonnenuhren (s.d.), nachher Wasseruhren (s.d.) und Sanduhren erfunden, welche letztere eigentlich auch allein Seiher oder Seiger von ihrer Einrichtung genannt wurden. Sie bestehen nämlich aus zwei kegel- oder trichterförmigen Glasgefäßen, die an ihren spitzen Theilen verbunden sind und von denen das eine so viel klaren und trockenen Sand enthält, als genau binnen einer Stunde durch eine in das andere Gefäß führende seine Öffnung laufen kann. Sie müssen alle Stunden umgewendet werden, damit der Sand von neuem durchläuft; es gibt aber auch welche, die mehre Stunden laufen. So kunstreich manche dieser ältern Uhren eingerichtet wurden und obgleich man schon sehr früh unsern jetzigen Uhrwerken ähnliche Räderverbindungen kannte, um das Planetensystem darzustellen, scheint die Erfindung der Räderuhren doch nicht vor dem Ende des 11. Jahrh. gemacht worden zu sein. Zwar wird dieselbe auch dem berühmten Benedictiner Gerbert aus Orleans, welcher Erzbischof von Rheims, Kaiser Otto's III. Lehrer und endlich Papst (Sylvester II., gest. 1004), war, zugeschrieben; allein die von ihm für den Kaiser gebaute Uhr soll nach Vieler Meinung doch blos eine sehr kunstreiche Sonnenuhr gewesen sein. Im 12. Jahrh. ist schon von Uhren in den Klöstern die Rede, welche Weiser hatten und mittels Räderwerke, die aber auch mit Wasseruhren verbunden sein konnten, die Stunden durch Schlagen auf Glocken anzeigten, und Kaiser Friedrich II. wurde vom Sultan Saladin mit einem Kunstwerke beschenkt, welches, durch Gewichte und Räder bewegt, die Stunden und den Stand von Sonne, Mond und Planeten unter den zwölf Himmelszeichen angab. Man ist daher zu der Annahme bewogen, daß der künstlichere Uhrenbau im Morgenlande früher bekannt war und bei Gelegenheit der Kreuzzüge, sowie durch Geistliche die Kenntniß davon nach Europa und besonders in die Klöster gebracht ward, von denen allerdings die ersten Verbesserungen der Uhren ausgingen. Häufiger schon sind im 14. Jahrh. Uhren, obgleich sie noch immer zu den Seltenheiten gehörten und erst seit 1368 soll es Uhrmacher in England gegeben haben. Dondi in Padua, dessen Geschlecht nach ihm dell' Orologio genannt wird, soll um diese Zeit die erste Thurmuhr verfertigt haben, und ein Deutscher, Heinr. de Wyk, baute eine solche für König Karl V., 1364–80, von Frankreich, mit der ein Glockenspiel verbunden war. In astronomischen Beobachtungen wurden Räderuhren von den Gelehrten im 16. Jahrh. angewendet, welchem auch die Erfindung der Taschenuhren angehört, die gemeiniglich dem Peter Hele aus Nürnberg (um 1510) zugeschrieben wird, daher sie auch mit Bezug auf ihre Form nürnberger Eier hießen. Andere nehmen Isaak Habrecht aus Strasburg als ziemlich gleichzeitigen Erfinder derselben an, oder lassen sie auch wol schon im 15. Jahrh bekannt sein.

Ausnehmend groß ist die Zahl der Gelehrten mm Künstler, welche sich seitdem um Verbesserung der Uhren Verdienste erworben haben, deren Verfertigung jetzt große Einfachheit und Genauigkeit erlangt hat. Die mit der größten Sorgfalt gearbeiteten werden vorzugsweise Chronometer, astronomische Längen-oder Seeuhren genannt. Nach der Länge der Zeit, welche die Uhren gehen, bevor sie von neuem aufgezogen werden müssen, spricht man von Jahres-, Monats-, Wochen- und Tagesuhren, sowie hinsichtlich der kleinern oder größern Zeittheile, welche dadurch angegeben werden, von Stunden-, Minuten-, Secunden- und Tertienuhren. Schlaguhren bezeichnen die abgelaufenen Zeitabschnitte durch Glockenschlag, Repetiruhren thun Dasselbe zu jeder Zeit nach dem Drucke auf eine Feder, welche Einrichtung oft mit den Schlaguhren verbunden ist. An den sogenannten Spieluhren ist ein kleines Flötenwerk, eine Harfe von Drahtsaiten oder ein Glockenspiel so angebracht, daß es von der Triebkraft der Uhr zu bestimmten Zeiten oder auch nach Belieben mit in Thätigkeit gesetzt wird. Es gibt dergleichen Einrichtungen an größern und an Taschenuhren und die Mechaniker Joh. Gottfried und Friedr. Kaufmann in Dresden, Vater und Sohn, erfanden um 1780 die Verbindung von Flöten- und Harfenwerken für solche Zwecke. Uhren, welche täglich das Datum mit anzeigen, heißen davon Datumsuhren, sowie die, welche den Mondwechsel angeben, Monduhren genannt werden. Auch durch die an den Uhren wirksame, bewegende Kraft, die entweder ein Gewicht oder eine Feder ist, bezeichnet man sie als Gewichtsuhren (wie die gewöhnlichen Wanduhren) und als Federuhren, sowie von der Art, wie der Gang derselben durch die sogenannte Hemmung geregelt wird, als Pendeluhren (Pendulen), wenn dies durch ein Pendel geschieht was die Erfindung von Christian Huyghens ist (s. Pendel), oder Cylinderuhren, deren Eigenthümlichkeit weiter unten besprochen werden wird.

Die wesentlichen Theile einer Uhr zusammen erhalten den Namen Uhrwerk und befinden sich in einem Gestelle, das aus zwei, mittels vier Pfeilern verbundenen Platten, der Kloben- und der Pfeilerplatte, besteht, welche letztere an der Außenseite das Zifferblatt trägt. Durch den Mittelpunkt desselben geht die verlängerte Achse des Minutenrades und trägt auf seinem viereckigen Ende den Minutenzeiger, welcher in einer Stunde sich einmal rund um das Zifferblatt bewegt. An derselben Achse befindet sich noch das Minutengetriebe, welches das Wechselrad mit seiner Achse und dem daran befindlichen Getriebe umtreibt, durch welches das an einer hohlen, die des Minutenrads umschließenden Achse befestigte Stundenrad bewegt wird, welches sich einmal in zwölf Stunden herumdreht und auf der ein wenig über das Zifferblatt hervorragenden Achse den Stundenweiser trägt. Das Minutenrad wird mittels eines Getriebes von dem großen Rade umgedreht, welches von der Feder (anstatt der Gewichte bei größern Uhren) und dadurch das ganze Werk in Bewegung gesetzt wird, indem sie sich von dem Federstifte abzuwickeln strebt, um welchen sie mittels des sogenannten Aufziehens zusammengezogen ward. Daß dies nun mit der unserm Zeitmaße entsprechenden Langsamkeit geschehe, [510] bewirkt die Hemmung. Das Minutenrad wird nämlich durch ein Getriebe an der Achse eines Rades von zu schneller Bewegung abgehalten, dessen Umdrehung wieder von einem Getriebe an der Achse des Kronrades geregelt wird, das vom Steigrade abhängig ist, welches die regulirende Wirkung der Unruhe auf das Ganze überträgt. Diese läßt vom Steigrade in gleichmäßigen Zeiträumen nur Zahn für Zahn entweichen. Sie bewegt sich nämlich fortwährend um ihre Achse (Spindel) ebenmäßig hin und her, was durch eine höchst elastische Spiralfeder geschieht, die sich, da die an der Spindel befindlichen Lappen in das Steigrad eingreifen bei der Umdrehung nach einer Seite um die Achse aufwickelt, dann aber, sobald der Spindellappen das Steigrad verlassen hat, soweit die Unruhe nöthigt, sich zurückzudrehen, daß die Feder nach der entgegengesetzten Seite wirkt. und so die Hin- und Herdrehung unterhält. Das Schwungrad oder der Balancier der Unruhe muß sorgfältig abgeglichen sein, was für den gleichförmigen Gang einer Uhr unerlaßlich ist. An größern Uhren wird die Hemmung durch Steigrad und Pendel (s.d.) bewirkt. In den Taschenuhren befindet sich die bewegende Feder in einer einer Trommel gleichen Kapsel, dem Federhause, das durch ihre Ausdehnung um seine Achse gedreht wird und dabei die Kette von der Schnecke abwickelt, wodurch das Schneckenrad und mittels dessen die übrigen Räder bewegt werden. Die Schnecke ist nur die Achse des Schneckenrades und hat ihre schneckenartig verstärkte Form, um die abnehmende Triebkraft der Feder auszugleichen. Diese ist natürlich am größten, wenn die Feder völlig aufgewickelt ist und dann wirkt sie mittels der Kette auf den dünnsten, darum am schwierigsten umzudrehenden Theil der Schnecke. Indem nun die Feder sich ausdehnt, verliert sie allmälig an Kraft, allein ihre Wirkung geht durch Abwickeln der Kette auf den zunehmend umfänglichern Theil der Schnecke über, welcher (als zusammengesetzter Hebel wirkend, s. Rad) in demselben Verhältniß sich leichter umdrehen läßt, in welcher die Federkraft sich vermindert, wodurch eine gleichmäßige Bewegung beider Theile vermittelt wird. Anfangs ward eine Darmsaite anstatt der Kette (Uhrkette) gebraucht, die aus Blättchen von dünnem Stahlbleche besteht, welche ausgeschlagen und jedes mit zwei seinen Löchern versehen werden. Diese Blättchen werden dann so zusammengenietet, daß auf zwei übereinander befestigten immer ein einfaches folgt, also jeder Nietstift durch drei Blättchen geht. Die sogenannten Cylinderuhren haben ihren Namen von einer besondern Hemmung (Cylinderhemmung), die zwar schon zu Ende des 17. Jahrh. erfunden, aber erst in neuerer Zeit zur Vollkommenheit und allgemeinern Anwendung gelangt ist. Darauf eingerichtete Uhrwerke enthalten nämlich anstatt der Unruhe und ihrer Spindel einen slähiernen Cylinder, anstatt des Steigendes ein Cylinderrad, an dem die Stelle der Zähne senkrechte Stifte mit Haken (daher auch Hakenrad) einnehmen, und für das Kronrad ein Stirnrad. Der Cylinder ist hohl und bis fast zur Häfte quer eingeschnitten; in diesen Ausschnitt greifen die Zähne des sich wagerecht umdrehenden Hakenrades und drehen den Cylinder mit der Spiralfeder herum, von der er, sobald ihn ein Zahn verläßt, in seine frühere Lage gebracht wird, wo ihn ein anderer Zahn des Hakenrades ergreift und die Hin-und Herbewegung sich auf diesem Wege erneut. Durch diese sorgfältigere Hemmung ist die Schnecke entbehrlich geworden, und man baut seitdem die Taschenuhren ungemein flach. Gegenwärtig wird das Verfertigen der einzelnen Theile der Uhren und ihre Zusammensetzung meist fabrikmäßig betrieben und die Uhrmacher justiren dieselben nur, was auch abziehen genannt wird. Nach dem Stoff, aus welchem die Hauptbestandtheile der Uhren und namentlich die Räder gemacht sind, bezeichnet man dieselben als hölzerne, deren sehr viele auf dem Schwarzwalde (s.d.) und auch im sächs. Erzgebirge zu Karlsfeld verfertigt werden, als eiserne oder messingene, die Taschenuhren dagegen unterscheidet man gewöhnlich nach dem Stoffe des Uhrgehäuses, d.h. des Behältnisses, von dem ein Uhrwerk umschlossen wird, als goldene, silberne, tombackne und Crizotuhren, denn ihre Werke sind immer von Messing und Stahl. Die Uhrmacher, deren Geschäft die Uhrmacherkunst ausmacht, werden auch als Kleinuhrmacher, die sich jetzt vornehmlich mit Reparaturen und Abziehen messingener Uhren abgeben und von denen nur die geschicktesten Chronometer und astronomische Uhren verfertigen, und in Großuhrmacher unterschieden, welche hölzerne und eiserne Uhren liefern.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 510-511.
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