Visir

[612] Visir heißt eine Vorrichtung zum Schutze des Gesichts an den Helmen (s.d.) der Ritter. Sodann wird die Einrichtung am hintern Ende der Geschütze u.a. Feuergewehre, sowie an der Armbrust Visir genannt, durch deren Einschnitt, Spalt oder runde Öffnung beim Schießen nach dem Ziele das vorn auf dem Rohre befindliche metallene Korn ins Auge gefaßt und auf den Zielpunkt gerichtet wird. Um diesen mit der Kugel zu erreichen, muß diese, wenn die Entfernung nicht eine sehr geringe ist, stets einen, wenn auch noch so flachen Bogen beschreiben und deshalb liegt das Visir immer höher als das Korn, wodurch, wie auch bei der Flinte, wo man über die Mitte der Schwanzschraube nach dem Korn sieht, wegen des hinten im Umfange stärkern Rohres, dieses die erfoderliche, nach vorn erhöhte Richtung bekommt. – Visiren heißt daher nach etwas zielen, namentlich mit einem Schießgewehr, und überhaupt genau sehen; es bedeutet aber auch den Inhalt (den innern Raum) eines Hohlgefäßes (Tonne, Faß) nach einem bekannten Maße finden. Dies geschieht mittels dazu besonders eingerichteter Maßstäbe, welche Visirstäbe heißen und von zweierlei Art sind. Der quadratische Visirstab enthält auf der einen, sogenannten Längenseite lauter Abtheilungen, welche der Höhe eines bestimmten Hohlmaßes, z.B. von Kannen gleich kommen und mit dieser Seite wird die Länge des Fasses oder seine Tiefe bis auf den Boden gemessen und sonach bestimmt, wie viele Kannen es übereinander gestellt oder der Länge nach aneinander gereiht enthält. Die andere Seite dieses Visirstabes, die Flächenseite, ist mit Durchmessern von Cylindern bezeichnet, welche bei der Höhe eines Maßes, einer Kanne u.s.w. davon 1, 2, 3 und mehr Kannen enthalten, und mit dieser wird der Durchmesser des Gefäßbodens gemessen. Wäre nun das Gefäß ein Cylinder, so brauchte man blos die gefundenen beiden Maße zu multipliziren, um den Inhalt zu erfahren. Allein da die gewöhnlichen Fässer beim Spunde weiter als am Boden sind, muß auch der Spunddurchmesser mit der Flächenseite des Visirstabes gemessen, von diesem der Durchmesser des Bodens abgezogen und von Reste zwei Drittel zum Bodendurchmesser addirt werden. Mit der auf diesem Wege gefundenen Summe multiplizirt man nun das Längenmaß, um den Inhalt eines [612] gewöhnlichen Fasses zu finden. Dieses Verfahren aber beruht auf der zum gewöhnlichen Gebrauche hinreichend genauen Annahme, daß ein Faß den mittlern Inhalt von zwei an Länge ihm gleichen Cylindern besitze, deren kleinerer den Durchmesser seines Bodens, der größere den der Spundtiefe hat. Mit dem cubischen Visirstabe wird durch den Spund schräg nach dem Bodenwinkel der einen Seite des Fasses gemessen und der Inhalt am Visirstabe abgelesen, auf welchem die Doppelzahl der Kannen oder andern Maße verzeichnet steht, die ein Cylinder enthalten würde, dessen Diagonale der einen Hälfte der durch den Spund gemessenen des Fasses gleich käme. Indessen erhellt schon aus dem Vorhergehenden, daß dieses Verfahren sehr ungenau ist. Aber auch mit jedem in Zolle und Fuße abgetheilten Maßstabe ist der cubische Inhalt eines Hohlgefäßes zu ermitteln, indem man 1/3 des Bodendurchmessers, nach Zollen gemessen und 2/3 des Spunddurchmessers addirt, die Hälfte der erhaltenen Summe mit sich selbst, die so gefundene Zahl aber mit der allgemeinen Umfangszahl (3,1415926) multiplizirt. Die dadurch erhaltene Zahl wird nun noch mit der Länge des Fasses multiplizirt und dadurch der Inhalt desselben in Cubikzollen gefunden. Da nun bekannt ist, wie viel davon eine Kanne oder ein andres Hohlmaß enthält, so wird durch Division mit dem Inhalt nach Cubikzollen eines gewünschten Maßes der Gehalt des Fasses in jedem sich berechnen lassen. – Visirmaß wird ein genau nach den gesetzlichen Bestimmungen eingerichtetes Maß im Gegensatze zum Schenkmaße genannt, was an vielen Orten um ein Geringes kleiner zu sein pflegt. – Unter Visiren, Visirung, Ertheilung des Viso oder Visum wird die auf Reisepässen, Wanderbüchern und ähnlichen Legitimationsurkunden von Seiten policeilicher Behörden, von Consuln oder Gesandten ertheilte schriftliche Bemerkung verstanden, daß sie die Richtigkeit der Urkunde anerkennen und sie in den Händen des rechtmäßigen Besitzers gefunden haben. Der Reisende läßt seinen Paß u. dergl. visiren, um seinen genommenen Weg und nöthigenfalls auch sein tadelloses Benehmen beweisen zu können, da im Gegentheil die Behörden ihrem Viso tadelnde Bemerkungen beifügen, was zuweilen bei policeilich verdächtigen Personen auch durch unbedeutende Zeichen u. dergl. auf eine Weise geschieht, wo es von dem Paßinhaber gar nicht wahrgenommen wird.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 612-613.
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