Wirthschaft

[742] Wirthschaft. Im engern Sinne versteht man unter einer Wirthschaft das vollständig eingerichtete Hauswesen einer Familie und nennt die Leitung und Besorgung der zum Fortbestehen desselben nothwendigen häuslichen Geschäfte wirthschaften. Sodann wird vorzugsweise unter einer Wirthschaft eine Gast- oder Schenkwirthschaft verstanden und endlich werden unter näherer Bezeichnung mehre Nahrungsgeschäfte und die ländliche Betriebsamkeit im Ganzen (Landwirthschaft) und in ihren Theilen (Feld-, Forst-, Vieh-, Milchwirthschaft) so genannt. Wirthschaftssysteme oder Wirthschaftsarten heißen die verschiedenen Anordnungen und Einrichtungen, nach welchen ein Landgut bewirthschaftet oder eine Landwirthschaft betrieben werden kann. Kein Gewerbe bedarf einer zweckmäßigen Wirthschaftseinrichtung nöthiger als die Landwirthschaft, welche in viele Zweige getheilt und in ihren Erfolgen stets von der Zeit abhängig ist, daher Mängel und Misgriffe nicht immer sogleich bemerkt werden und sich noch weniger rasch ausgleichen lassen. Es kommen ferner die verschiedenartigen, auf Boden, Klima, Örtlichkeit und davon abhängigen Absatz der Erzeugnisse beruhenden Verhältnisse der Landwirthschaft dabei in Betracht. Die bekanntesten Wirthschaftsarten sind: die Zweifelderwirthschaft, nach welcher die Felder in Sommer- und Winterfeld getheilt und für gewöhnlich ebenso mit Sommer- und Winterfrucht bestellt werden, wozu aber besonders reichliche Düngung und dessenungeachtet die möglichste Beobachtung der Regeln des Fruchtwechsels erfoderlich ist. Das älteste Wirthschaftssystem, die Dreifelderwirthschaft, bei welchem ein Drittel der Felder jährlich mit Winterfrucht, ein anderes mit Sommerfrucht bestellt und das dritte brach liegen gelassen wird, ist hauptsächlich auf Getreidebau berechnet und verlangt, wenn damit ansehnliche Viehzucht verbunden sein soll, noch außerdem ansehnliche Wiesen und Weiden. Da diese Wirthschaftsart den erhöhten Ansprüchen auf Größe und Sicherheit des Ertrags aber nicht zu genügen vermag, hat man sie durch Bestellung des brachliegenden Drittels mit Futterkräutern, Kartoffeln u. dergl. verbessert. Die Vierfelderwirthschaft läßt nur ein Viertel des Feldes brach liegen und geht auch vorzugsweise auf Getreidebau aus. Die Wechselwirthschaft ist erst in neuerer Zeit allgemeiner in Aufnahme gekommen und nach ihr wird eine Hälfte der Felder mit Getreide und verkäuflichen Früchten, sodaß nie zwei Mal Getreide nacheinander folgt, die andere mit Futtergewächsen bestellt. Sie bedarf der Brache gar nicht, kann auch ohne Wiesen bestehen, fodert aber die Einführung der Stallfütterung. Da jedoch in den meisten Fällen ein viel reichlicherer Futterertrag erfolgen würde, als er bei nicht ungewöhnlich zahlreichem Viehstande erfoderlich ist, so läuft es mit der Wechselwirthschaft eigentlich darauf hinaus, daß aller bestellbare Boden eines Landguts jährlich in angemessenem Wechsel mit Feldfrüchten und Futterkräutern bebaut wird und nie ein Theil davon brach liegt. (Schweitzer »Die Wechselwirthschaft«, Berl. 1817.) Eigenthümlich und auf das Vorherrschen der Viehzucht berechnet, ist die schleswig-holsteinsche Koppelwirthschaft, welche von den einzelnen, mit Hecken umgebenen Feldabtheilungen (Koppeln) ihren Namen hat (s. Landwirthschaft) und von Alex. v. Lengerke »Die schleswig-holst. Koppelwirthschaft« (Berl. 1826), ausführlich beschrieben worden ist. Ihr ähnlich, aber hauptsächlich auf Getreidebau berechnet, ist die mecklenburg. Schlagwirthschaft, von den bis in 12 Schläge, aber ohne Hecken abgetheilten Feldern so genannt, und ebenfalls von A. v. Lengerke: »Darstellung der Landwirthschaft im Großherzogthume Mecklenburg« (Königsb. 1831) ausführlich geschildert. Die berühmte engl. Landwirthschaft ist Wechselwirthschaft wie die nicht weniger ausgezeichnete Belgiens, welche von Schwerz: »Die belg. Landwirthschaft« (3 Thle., Halle 1807–11), geschildert worden ist. Ein allgemeines Werk über Landwirthschaftsarten ist Kreyßig's »Ökonomische und physikalische Beleuchtung der wichtigsten Feldbau- und Wirthschaftssysteme Europas und ihrer Anwendung zur Verbesserung der Landwirthschaft in Deutschland und Preußen« (Lpz. 1833). – Um den jährlichen Abschluß der Berechnungen über den Ertrag der Landwirthschaft zu einer Zeit machen zu können, wo die vorhandenen Vorräthe die leichteste Übersicht gestatten, kann nicht der gewöhnliche Jahresschluß gewählt werden, sondern das landwirthschaftliche Wirthschaftsjahr endet und beginnt deshalb in der Zeit, wo Scheuern und Futterboden am leersten sind. Dieser Zeitpunkt ist aber der Orts- und Witterungsverhältnisse wegen verschieden, daher in manchen Ländern der 1. Mai (Walpurgis), in andern der 1. Jul. als Schluß der landwirthschaftlichen Rechnungen gilt, zu welcher Zeit dann auch die Uebergabe der Güter der Pächter u. A. stattfinden. – Wirthschaftsgebäude heißen Scheuern, Ställe u.a. zum Betriebe der Landwirthschaft erfoderlichen Gebäude eines Landguts.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 742.
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