Wrbna-Freudenthal

[754] Wrbna-Freudenthal (Rudolf, Graf), geb. 1761 zu Wien, ein vielseitig verdienter und unter schwierigen Verhältnissen bewährter östreich. Staatsmann, studirte zu Wien die Rechte und dann zu Schemnitz die Bergwissenschaften, wurde 1785 als Hofsecretair angestellt, befand sich schon 1801 als Vicepräsident der montanistischen Hofstelle an der Spitze des Berg- und Münzwesens der östreich. Staaten und das östreich. Berg- und Hüttenwesen machte unter seiner Leitung wichtige Fortschritte. Sein Einfluß und Beispiel wirkte aber auch sonst für Verbreitung von Kenntnissen und Bildung und half mehre darauf berechnete Vereine und Anstalten gründen oder die bestehenden erweitern. Als 1805 Wien bei Annäherung der Franzosen vom Kaiser und der Regierung verlassen wurde, mußte W. als Hofcommissair zurückbleiben und es gelang ihm, sich bei den franz. Befehlshabern zum Besten von Stadt und Land in Achtung zu setzen. Im J. 1806 ward er zum obersten Kämmerer und Chef des geheimen Cabinets ernannt, welche Stelle ihn an die Person des Kaisers fesselte, von dem er unmittelbar seine Befehle erhielt, und seiner Oberleitung, außer einem Theile des vornehmsten Hofpersonals, die kais. Familienherrschaften, die Inspection der kais. Burg, die Schatzkammer, die Gemäldegalerie und andern Sammlungen, das Hoftheater u.s.w. unterordnete. Dabei stand er im ganzen Lande in solchem Vertrauen und Ansehen, daß 1810 bei der im Geheim beschlossenen Einziehung der schon über 1000 Mill. betragenden Bancozettel und ihrer Umwechselung in Einlösungsscheine zu ein Fünftel, der Finanzminister Graf Wallis den Einwurf: das neue Papiergeld werde kein Vertrauen finden und daran das ganze Vorhaben scheitern, mit der Versicherung beseitigte, es werde in dieser [754] Beziehung hinreichend sein, wenn es die Unterschrift des Grafen W. trage. Als der Kaiser Franz I. den seit lange kranken W. kurz vor seinem am 30. Jan. 1823 erfolgenden Tode noch besuchte und von der Rettungslosigkeit seiner Lage unterrichtet ward, beklagte er nicht blos den Verlust eines treuen Dieners, sondern auch eines Freundes, der eine Ehre dareingesetzt habe, ihm durch 20 Jahre im Glück und Unglück die Wahrheit unverhohlen zu jagen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 754-755.
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