Bibel

[55] Bibel, ein ursprünglich griechisches Wort, bedeutet eigentlich die innere, biegsame Rinde der Bäume. Da man nun in den[55] frühesten Zeiten sich dieser Rinde statt des Papiers bediente, so brauchte man das Wort auch für Buch überhaupt. Als sich das Christenthum weiter verbreitete und einige Lehrer desselben einzelne, theils geschichtliche, theils belehrende Schriften für die Bekenner der Christuslehre niedergeschrieben hatten, welche später gesammelt wurden, nannte man diese Sammlung Biblia, die Bücher, oder das Buch der Bücher, und weil sie die Christen als die Quelle ihrer Religion verehren, die heilige Schrift. Ein großer Theil der Bücher, welche die Bibel enthält, diente den Juden schon vor Christi Geburt als Erkenntnißquelle ihres Gesetzes und ihrer Religion (das Gesetz und die Propheten), und man nennt sie daher das alte Testament, die Bücher des alten Bundes. Man dachte sich nämlich, es habe Gott einen Bund mit den Menschen geschlossen und die Urkunde dieses Bundes – das Testament – sei in diesen Schriften niedergelegt worden. Da nun dieser Bund als durch das Christenthum gleichsam erneuert zu denken ist, so nannte man die Schriften, welche die Christen als die Urquellen ihrer Religion verehren, das neue Testament, die Schriften des neuen, durch Christum erneuten Bundes Und so ist die Bibel das Buch der Welt; sie ist in tausend Sprachen übersetzt, in Millionen Exemplaren vertheilt, selbst eine Weltsprache geworden, die zu den Gläubigen aller Zonen, aller Farben, aller Zeiten spricht. Ihre erhabene, gottentstammte Weisheit redet zu dem Hindu am Ganges, wie zu dem Indianer in Kanada, zu dem Samojeden, wie zu dem Neger am Senegal, zu dem Chinesen, wie zu dem Feuerländer in gleich verständlicher, gleich erhebender, Licht und Menschlichkeit, Weisheit und Unsterblichkeit verbreitender Weise. Sie ist die erhabene Memnonsäule, aufgestellt in Mitten der Welt, und von ihr aus erklingen heilige Glockentöne über den Erdkreis, die in den Herzen der Gläubigen wiederklingen und sie zum Gebet, zur Demuth vor dem Einzigen, Allmächtigen, Unendlichen mahnen, und sie Alle in der reinsten Liebe durchdringen. Allen – Allen[56] verkündet sie mit Feuerzungen die erhabenen Offenbarungen der Gottheit, des göttlichen Erlösers und seiner Apostel heilige Lehren, den Triumph des Himmels über die Hölle, die reinste, heiligste Liebe. Sie ist das ewige Palladium der Christenheit, die Oriflamme der Menschheit, um die sich einst Alle versammeln werden in brünstiger Andacht und Liebe, wo es nur »Einen Hirten und Eine Herde« geben wird.

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Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 55-57.
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