Tabak

[497] Tabak. Es war im Jahr 1520, als ein Spanier, auf der Halbinsel Yucatan in Mexico, die weltberühmte Pflanze entdeckte, welche später, in Duft und Rauch entwallend, mit ihren bläulichen Wolken des Fürsten wie des Bettlers Stirn umkreiseln, oder verwandelt in ölichtes Pulver die Nasen der Männer und selbst die unserer – Schönen parfümiren sollte. Reißend schnell verbreitete sich die neue Entdeckung über Haiti, Maryland und Virginien. Nach der Stadt Tabasko, wo sie besonders häufig wuchs (nicht aber von der Insel Tabago), wurde sie benannt: – eine Ehre, um welche diese glückliche Stadt vielfach beneidet wurde. Stritten sich doch die größten Notabilitäten der damaligen Zeit um die Ehre, bei dem neuen Wunderkraute Pathenstelle zu vertreten. Am glücklichsten war hierin der Gesandte Franz II., Königs von Frankreich, am portugiesischen Hofe, Jean Nicot, von dem der T. seinen lateinischen Taufnamen (herba nicotiana) bekam. Katharina von Medicis erhielt hierauf das neugetaufte Kindlein von dem Staatsmanne und Pathen zugeschickt, und fand das Knäblein so interessant, daß sie es förmlich an ihren Hof zog, worauf der T. in l'herbe à la Reine umgetauft wurde. All' ihr königliches Ansehen[497] aber, sowie alle Künste ihrer Schlauheit vermochten es nicht, ihren heißen Wunsch zu erfüllen, daß das Kraut nach ihr Medicea genannt werde. Darauf fiel die Tabaksstaude als Erisapfel zwischen den Großprior von Frankreich und zwei Kardinäle, wovon der eine Legat in Frankreich, der andere Legat in Portugal war. Alle drei wollten ihren Namen verewigen, indem sie denselben diesem königlichen Pulver gaben, und wenigstens waren die Anhänger der drei ehrgeizigen Rivale so gefällig, den T. nach dem Großprior l' herbe au Grand-Prieur und nach dem Namen der beiden Kardinäle l' herbe de Sainte-Croix und l' herbe de Tourbanon zu nennen. – Hatte so der arme T. endlich glücklich einen Namen erlangt, so erhoben sich nun über seine Zulässigkeit zum Bürgerrechte oder nicht, wiederum die hitzigsten Streitigkeiten unter den Aerzten. Alle Doctoren und Apotheker ergriffen für und wider ihn Partei; mehr als hundert Bände wurden über diesen Gegenstand geschrieben. Während ihn die Einen in den dritten Himmel erhoben als eine Wunderarznei gegen alle nur mögliche Krankheiten, verschrien ihn die Andern als ein Teufelswerk, welches Tod und Verderben bringe dem Leibe wie der Seele. Ganze Akademien fielen sich einander in die Haare, und die Facultäten erließen ihre pomphaften Gutachten, je nachdem ihr medicinisches System dem T. günstig oder ungünstig war. Endlich nahm auch dieser Streit wie Alles ein Ende. Es langweilte die Aerzte, gegen ein Kraut zu Felde zu ziehen, welches sich um alle diese Kämpfe nichts kümmerte, sondern immer mehr und mehr sich anschickte, als ein siegreicher Held die Tour durch die ganze Welt zu machen. Schon 1570 brachten ihn spanische Truppen nach Deutschland, und im dreißigjährigen Kriege rauchten bereits Freunde wie Feinde T. Nach England kam T. 1580 aus Virginien und von da nach Holland. War Katharina von Medicis seine erste königliche Gönnerin gewesen, so erhob sich gegen ihn im J. 1604 ein königlicher Feind in der Person König Jacob's I., welcher eine eigene Schrift gegen ihn schrieb, und vielleicht[498] aus Eifersucht auf das Ansehen des l'herbe à la Reine, durch starke Auflagen und, strenge Einschränkungsgebote ihm seine Herrschaft streitig zu machen suchte. Gleichsam aber, als wollt' er sich rächen an dem ohnmächtigen Neide, hielt er das Jahr darauf seinen feierlichen Einzug in der Türkei, welche später sein zweites Vaterland und nächst Holland seine wärmste Patronin werden sollte. Denn der Befehl des Sultans, welcher, um das Rauchen lächerlich zu machen, einen Türken mit durch die Nase gestochener Pfeife durch die Straßen Constantinopels führen ließ, hatte weiter keinen Erfolg, als daß er die Neugierde des Volkes nach dem unentdeckten Genusse nur noch steigerte. Konnte doch der Ururenkel dieses kaiserl. Tabaksfeindes, der jetzige Sultan, selbst nicht länger der Verführung widerstehen, und wagte es zuerst unter allen Sultanen, der Hofetiquette zuwider, freilich nur im Geheimen, im Kreise weniger Vertrauter, den köstlichen Duft zu trinken! Der moskowitische Czar nahm die Sache etwas ernster: bei Strafe des Naseabschneidens wurde das Rauchen 1634 in Rußland verpönt. In Schweden wurde der T. erst nach 1650 gebräuchlich. Am spätesten, aberauch am ausdauerndsten, bekämpfte ihn die Schweiz, und noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bestand zu Bern ein eigenes Gericht, Chambre du Tabac, welches für die Aufrechthaltung der Beschränkungsgesetze zu wachen hatte. Auch in Deutschland gab es noch zu Ende des 17. Jahrh. viele Prediger, die gegen ihn eiferten, deren Stimme aber verhallte in der Wüste, oder vielmehr in den Tabaksfeldern, die um selbige Zeit in Brandenburg und in der Pfalz entstanden waren. Nicht viel später als das Rauchen ward auch das Schnupfen, und zwar zuerst in Spanien, dann in Italien Mode. Bereits 1600 schnupften die holländischen Damen parfümirten T., wenn auch nicht aus so eleganten Döschen, wie die jetzigen demijournées in Paris. 1624 belegte Urban VIII. alle die mit dem Bann, welche in der Kirche schnupften; diese Excommunication erneuerte 66 Jahre später Innocenz XII, jedoch nur hinsichtlich der Peterskirche;[499] Benedict XIII. dagegen, welcher selbst stark schnupfte, hob dieses Verbot wieder auf. Jetzt aber ist der stolze Sprößling von Yucatan in allen Ländern und Reichen im unangefochtenen Besitze seiner Herrlichkeit: er ist für Tausende der freundliche Begleiter durchs ganze Leben; selbst die Damen sind jetzt in vielen Gegenden seine eifrigen Anhängerinnen geworden, denn die Mexicanerinnen, die Frauen in Südamerika und zum Theil auch die der Pyrenäischen Halbinsel können nicht leben ohne den süßen Duft ihrer kleinen Cigarren. – Der gemeine T. (nicotiana tabaccum), zu den Solaneen gezählt, ist in unsern Gegenden einjährig und blüht im Juli und August. Seine Stengel sind krautartig, aufrecht, weichhaarig, 4–6 F. hoch, auch wohl noch höher, die Blätter lanzettförmig, langgespitzt, stiellos, die untern am Stengel herablaufend, die Corolle röhrig, trichterförmig, blaßroth. Zuweilen wird er auch als Zierpflanze in Gärten gefunden, besonders einige Arten mit verschiedener Blüthe. In Deutschland sind die bekanntesten Gattungen: der langblätterige und rundblätterige T., und der gemeine Virginische.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 497-500.
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