Chor

[104] Chor, der gottesdienstliche Aufenthaltsort des Chores der Geistlichen, wovon er den Namen Chorus trägt, auch hoher Chor oder Presbyterium (Priesterraum), Sanctuarium, ist ursprünglich das regelmässig quadratische Altarhaus. Er liegt höher als das Schiff der Kirche, dehnt sich aber zuweilen westlich bis in die Vierung aus. Vom übrigen Raum ist er durch Schranken (cancelli) oder eine niedrige Wand getrennt, an der Westseite gegen das Langschiff häufig durch einen förmlichen Querbau oder eine Emporkirche, der Lettner, Lectorium, genannt wird. Derselbe ist mehr oder weniger geräumig, durch eine enge Wendelstiege zugänglich und von offenen Bögen getragen oder mit Durchgängen versehen. Er dient ausser zur Verlesung des Evangeliums (daher der Name) auch zum Aufstellen der Sängerchöre und hiess daher auch Doxal, von Doxologie = Lobpreisung, oder Singechor. Seit dem 13. Jahrn. erlaubte man sich Abweichungen von der quadratischen Form des Altarhauses, sowohl durch Verkürzung[104] als namentlich durch Verlängerung des Quadrates; das letztere wurde im gotischen Stil normal. Ein gänzliches Fehlen des Altarhauses ist seltene Ausnahme. Die Erhöhung des Chorraumes über den Fussboden der übrigen Kirche beträgt oft nur eine oder zwei Stufen, steigt aber auch bis 22 Stufen; ein bedeutend erhöhter Chor lässt stets auf das Vorhandensein einer Krypta unter demselben schliessen. Der Schwibbogen, der das Altarhaus von der Vierung scheidet, wird Fronbogen oder Triumphbogen genannt, weil er mit einer Darstellung des triumphirenden Erlösers geschmückt zu sein pflegte. Die Krypta mit einem oder mehreren Altären, war ausschliesslich dem Dienste der Toten gewidmet. Die Cistercienser sollen sie in ihren Kirchen zuerst aufgegeben haben. Die Beleuchtung richtet sich nach ihrer mehr oder minder tiefen Lage. Die Krypta ist stets gewölbt, und die Wölbung wird durchmehrere Pfeilerreihen getragen. Auch Doppelchöre kommen vor, vom 9. bis 12. Jahrh. in Deutschland sogar gewöhnlich; solche Kirchen stellen sich gleichsam als zwei Kirchen mit einem gemeinschaftlichen Langhause dar, wobei jeder Chor seinen eigenen Heiligen hat. Die erste Kirche mit Doppelchören ist die Klosterkirche zu Fulda. – Otte, Handb., Absch. 19.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 104-105.
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