Fabel

[650] Fabel, vom lat. fari, reden, die Erzählung, besonders die erdichtete, das Mährchen, dann der Inbegriff von Handlungen und Ereignissen, in welche die Charaktere u. Ideen einer epischen od. dramatischen Dichtung gekleidet werden, den Ausdrücken Intrigue, Sujet, Thema u.s.w. entsprechend. Im engern Sinne ist die F. der Apolog der Griechen, die äsopische od. auch Thierf., eine besondere Art der allegorisch-didactischen Dichtung. Gleich der Parabel sucht die F. eine Wahrheit der Lebenserfahrung und besonders der Sittlichkeit durch einen analogen Fall anschaulich zu machen, nimmt aber den Stoff aus dem Naturleben u. namentlich aus der Thierwelt, während Parabel und Beispiel denselben aus einem erdichteten od. wirklichen Falle des Menschenlebens herausholen. Während die indische und arabische Literatur an F.n reich ist, kommen in der Bibel neben vielen Parabeln nur 2 F.n vor: Richter 9, 8–20; IV. Kön. 14, 9–10; vgl. II. Chron. 25, 18–19. Bei Hesiod, Archiloch, Herodot u.a. finden sich F.n, doch als Schöpfer der kunstmäßigen F. gilt Aesop, dessen F.n häufig gesammelt, bald in gebundener bald in ungebundener Rede bearbeitet, nachgeahmt und übersetzt – Babrius, die Römer Phädrus u. Avian – und durch das ganze Mittelalter bis heute gerne gelesen wurden. In der deutsch. Literatur glänzten als F.-Dichter H. Sachs, Boner, B. Waldis, Er. Alberus, im 18. Jahrh. Hagedorn und Gellert, vor Allem aber E. Lessing, welcher eine Theorie der F. begründete, indem er die F. von den Künsteleien und Verschrobenheiten der Franzosen befreite und auf die antike Einfachheit zurückführte u. endlich selbst nicht viele, aber musterhafte F.n dichtete.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 650.
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