Montenegro

[232] Montenegro, d.h. schwarzer Berg, Cèrnagora, unabhängiges Gebirgsland in der europ. Türkei, gewöhnlich zum Sandschak Skutari gerechnet, ist jetzt ein von den europ. Mächten anerkanntes Fürstenthum zwischen Dalmatien, der Herzegowina, Bosnien und Albanien, 80–90 QM. groß, ganz vom Gebirge erfüllt, das in einzelnen Punkten bis 7000' ansteigt; es ist ein Theil der dinarischen Alpen, zerklüftet u. öffnet sich nur gegen den See von Scutari in dem Thale der Moratscha, welche jenem Becken die Gebirgsbäche von ganz M. zuführt. Das Gebirge ist theilweise stark bewaldet, in den Thälern u. auf den unteren Stufen des Gebirgs gedeihen Wein und Getreide, aber nicht hinlänglich für den Bedarf; die Viehzucht beschränkt sich hauptsächlich auf Ziegen u. Schafe. Der Montenegriner sind etwa 100000; dieselben sind serbischen Stammes, griech. Religion, freiheitsliebend, Halbbarbaren, tapfer, rachsüchtig u. räuberisch. Straßen hat M. keine, kaum Saumwege, der Verkehr ist deßwegen ein sehr beschränkter u. wird ausschließlich durch Cattaro vermittelt. An der Spitze des eigenthümilchen Staates steht ein Fürst mit dem Titel Vladika, der geistliches und weltliches Oberhaupt ist; er hat einen Senat von 12 Männern zur Seite, welche von dem Volke aus den angesehensten Familien gewählt werden; die Fürstenwürde ist seit 1658 in dem Hause Petrowitsch-Njegosch erblich, indem die Würde auf Brüder oder Neffen überging, weil der Vladika ehelos sein mußte; der jetzige, Danilo I., hat sich mit einer Kaufmannstochter aus Triest vermählt. M. ist in 8 Bezirke (Nahias) eingetheilt, der Vorsteher heißt Sirdar, der stellvertretende Woiwode; diese Aemter, sowie das der Knäsen (Gemeindevorsteher) sind gleichfalls in einigen Familien erblich. – M. ist ein Rest des alten Königreichs Serbien, das 1389 von den Türken unterjocht wurde; es war ein von Serbien abhängiges Fürstenthum, Zenta genannt, und wurde von einem Zweige des serb. Königshauses gegen die Türken behauptet (Haus Tschernowitsch). Im [232] 15. Jahrh. wurden die Montenegriner aus dem ebenen Lande verdrängt und gründeten Cetinje (Cettigna), das jetzt noch Hauptort und stark befestigt ist. u. außer einem Kloster u. dem Hause des Vladika etwa 20 andere Häuser enthält. Das Haus Tschernowitsch übersiedelte 1516 nach Venedig und nun wurde die Würde des weltlichen Oberhaupts in der Familie Radonitsch, die geistliche etwas später in der Familie Petrowitsch-Njegosch erblich, bis Peter Petrowitsch (1787 bis 1830) beide Würden in seiner Person vereinigte. Mit den Türken lagen die Montenegriner in beständiger Fehde u. behaupteten sich wenigstens in ihren Bergen; Peter I. von Rußland nahm sie bereits 1710 in seinen Schutz und seitdem ist M. ein russ. Posten in der Flanke der Türkei, der noch jedesmal auf Commando losgeschlagen hat. Wie Serbien wurde zwar auch M. 1791 sich selbst überlassen, es behauptete sich aber und ein türkisches Heer wurde 1793 im Gebirge vernichtet. Auch als die Franzosen Cattaro besetzten, focht M. für Rußland; Fürst Peter Petrowitsch II. (1830–51) hatte in Petersburg seine Bildung erhalten und empfing jährliche Subsidiengelder, sein Neffe Danilo I. ließ sich von Rußland die Investitur ertheilen u. M. wurde von Rußland als ein unabhängiger Staat anerkannt. Gleichzeitig überrumpelten die M. das alban. Grenzfort Zabljack u. die Pforte schickte Omer Pascha mit einem Heere von vielleicht 50000 Mann, um M. zu unterwerfen. Omer Pascha gewann auch wichtige Vortheile, nun schritt aber Oesterreich ein und auf sein Verlangen rief die Pforte den Omer Pascha mit seinem Heere zurück; dagegen zwang Oesterreich aber auch die M. durch ernste Erklärungen u. militärische Demonstrationen während des gegenwärtigen Krieges zwischen der Türkei und Rußland sich ruhig zu verhalten, was das kriegerische, auf einen zu kleinen Raum beschränkte Volk schwer genug ankommt. – Geschildert wurde M. von dem bekannten Reisenden Kohl (Dresden 1851); seine Geschichte bis 1852 schrieb Andrié (Wien 1853).

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 232-233.
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