Antisthĕnes

[589] Antisthĕnes, von Athen, Stifter der kynischen Schule (s. Kyniker), erst Schüler des Gorgias, nachmals Schüler und Freund des Sokrates, geb. 444 v. Chr., gest. 399, etwa 30 Tage nach Sokrates. Er war Sohn eines athenischen Vaters und einer thrakischen Mutter und lehrte in dem Gymnasium Kynosarges, woher seine Schule die kynische genannt wurde, vielleicht auch mit Anspielung auf »kyon«, Hund. Eine sichere Erkenntnis ist nach ihm nur durch richtige Definitionen und identische, d.h. solche Urteile möglich, in denen das Prädikat mit dem Subjekt einerlei ist. Auf dem Gebiete der Ethik, das ihm wie dem Sokrates das wichtigere war, gut ihm als oberstes Ziel des menschlichen Lebens die Tugend. Was zwischen ihr und der Schlechtigkeit in der Mitte liege, sei gleichgültig (adiaphoron). Tugend sei zur Glückseligkeit ausreichend, womit als Zweck des Daseins allerdings [589] Glückseligkeit anerkannt wird. Da nun die Unmöglichkeit, die Bedürfnisse zu befriedigen, das Gegenteil der Glückseligkeit erzeugt, so trachtete A., sowenig wie möglich Bedürfnisse zu haben, verwarf die Luft, lebte selbst auf das einfachste und setzte sich über die Anforderungen der gewöhnlichen Sitte hinweg. Den Kultus der Götter wies er ab; der Eine Gott werde nicht aus Bildern erkannt; Tugend allein sei der wahre Gottesdienst. Die Gedichte Homers, der (nebst Hesiod) den Griechen (nach Herodot) ihre Götter gemacht hatte, deutete er allegorisch im Sinne seiner Philosophie. In der Politik war er Weltbürger. Seine Werke sind sämtlich verloren, nur zwei Deklamationen (abgedruckt in den Sammlungen der attischen Redner von Aldus, Bekker u.a.) sind uns unter seinem Namen erhalten, deren Echtheit unsicher ist, außerdem ein Brief (abgedruckt bei Orelli, »Collectio epistol. graec.«, Bd. 1, Leipz. 1815), der unecht ist. Die Fragmente seiner Schriften wurden herausgegeben von Winkelmann (Zür. 1842) und von Mullach in den »Fragmenta philosophorum graec.«, Bd. 2 (Par. 1867). Vgl. Chappuis, Antisthene (Par. 1854); Dümmler, Antisthenica (Halle 1882).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 589-590.
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