Aufklärung

[91] Aufklärung kommt mit Unterricht (s. d.) darin überein, daß sie, wie dieser, richtige oder doch für richtig gehaltene Begriffe zu verbreiten sucht, unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß sie nicht, wie dieser, dieselben dort erzeugt, wo überhaupt keine, sondern dort, wo ihrer Meinung nach unrichtige Begriffe vorhanden sind. Sie tritt daher nicht, wieder Unterricht, von vornherein positiv belehrend, sondern zunächst bisheriges Fürwahrhalten zerstörend und erst in zweiter Reihe aufbauend, d. h. Neues an die Stelle des bisher Fürwahrgehaltenen setzend, auf. Man kann wirtliche (wissenschaftliche) und seichte (populäre) A. unterscheiden, von denen sich die eine auf wissenschaftliche Gründe stützt, die andre auf außer der Wissenschaft liegende; je nachdem bloß schädliche Irrtümer, namentlich abergläubische, entfernt oder auch harmlose, ja wohltätige Illusionen, wie Märchen, Volksglaube, um des Scheins der Aufgeklärtheit willen beseitigt werden, kann man notwendige und überflüssige A. (»Aufkläricht«) voneinander trennen. Für die A. wirkt namentlich die Philosophie, insofern sie an die Stelle mehr oder weniger verworrener, ganz oder teilweise eingebildeter Vorstellungen von den Dingen, an die Stelle unhaltbarer Begriffe auf Anschauung und Erfahrung gegründete Vorstellungen, sowie durch[91] methodisches Denken gewonnene Begriffe setzt. Je nach dem Vorstellungsgebiet, auf das sich die A. erstreckt, kann man von religiöser, moralischer, politischer, naturwissenschaftlicher, geschichtlicher etc. A. reden, doch bezieht sich die A. meist auf das religiöse Gebiet. Aufklärerisch haben in neuerer Zeit namentlich gewirkt die sogen. Deisten, die Moralphilosophen, sowie Locke und Hume in England, Voltaire, Rousseau, die Materialisten, Sensualisten und die Herausgeber der Enzyklopädie in Frankreich. Den Namen Aufklärungsphilosophen nahmen für sich in Anspruch die meist in Leibniz-Wolfscher Weise, aber auch vielfach eklektisch philosophieren den Denker des 18. Jahrh. in Deutschland, die zumeist auch Popularphilosophen sind. Die namhaftesten unter diesen Aufklärungsphilosophen sind Reimarus, Mendelssohn, Nicolai, Garve, Engel, Abbt sowie in höherm Sinne Lessing. Auch Kant gehört in gewisser Weise zur A. Er sah das Wesentlichste der Richtung in dem Heraustreten aus verschuldeter Unmündigkeit und erklärte das Zeitalter Friedrichs II. als das der A. Vgl. Kant, Was ist die A.?; Lecky, Geschichte des Ursprunges und Einflusses der A. in Europa (deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1873, 2 Bde.); Reuter, Geschichte der religiösen A. im Mittelalter (Berl. 1875–77, 2 Bde.).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 91-92.
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