Beobachtung

[646] Beobachtung, die Anspannung der Aufmerksamkeit auf Gegenstände oder Vorgänge, um das Wesen derselben zu ergründen. Die wissenschaftliche B. geht methodisch, nach bestimmten Grundsätzen und Regeln, die von der betreffenden Wissenschaft selbst an die Hand gegeben werden, zur Auffindung der Erscheinungsursachen und allgemeiner Gesetze vor. Alle Erfahrungswissenschaften haben die B. zu ihrer Grundlage. Die Erscheinungen aber werden nicht bloß, wann und wie sie die Natur bietet, sondern oft mit Hilfe des Experiments (s. d.) der B. unlerworfen, indem man durch künstliche Veranstaltungen den Gegenstand gleichsam nötigt, sich dem Beobachter von einer bestimmten Seite, unter absichtlich gewählten Verhältnissen etc. darzustellen. Den Wert der B. stellte unter den Neuern zuerst F. Bacon in seinen Werken: »De augmentis scientiarum« und »De interpretatione nat orae« in das rechte Licht; ein preisgekröntes Werk über B. lieferte SenebierS ur l'art d'observer et de faire des expériences«, 2. Aufl., Genf 1802, 3 Bde.; deutsch nach der ersten Auflage von Gmelin, Leipz. 1776, 2 Bde.). Über astronomische B. hat John Herschel in seinem »Preliminary discourse on the study of natural philosophy« gehandelt (als Einleitung zu Lardners »Cabinet-Cyclopaedia« erschienen, neue Ausg. 1840; deutsch von Henrici: »Über das Studium der Naturwissenschaft«, Götting. 1836). Die Ergebnisse der B. sind oft durch die Unzulänglichkeit unsrer Sinne und Instrumente und die Beschaffenheit unsers Nervensystems getrübt, es stellen sich Beobachtungsfehler ein, über deren Umfang und Grenzen der Beobachter sich Klarheit verschaffen muß. Bei häufiger Wiederholung derselben B. ergibt das Mittel eine größere Genauigkeit, weil die eintretenden Fehler sich z. T. gegenseitig aufheben. Bei gewissen Beobachtungen werden die in regelmäßigen Bedingungen gegebenen Abweichungen durch Korrekturen beseitigt (vgl. Gleichung, persönliche). Bei astronomischen Beobachtungen bedient man sich zur Ermittelung der Fehlergrenze vorzugsweise der Methode der kleinsten Quadrate. Eine »Allgemeine Theorie der Zuverlässigkeit der Beobachtungen[646] und Versuche« gab schon Lambert im 1. Teil seiner »Beiträge zum Gebrauch der Mathematik« (Berl. 1760). Vgl. Seltmann, Ausgleichung der Beobachtungsfehler nach dem Prinzip symmetrisch berechneter Mittelgrößen (Marb. 1886); Weinstein, Handbuch der physikalischen Maßbestimmungen, Bd. 1: Die Beobachtungsfehler (Berl. 1886); Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler (Leipz. 1891); Koll, Theorie der Beobachtungsfehler (Berl. 1893). – Literatur über wissenschaftliche Beobachtungen auf Forschungsreisen vgl. Reisen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 646-647.
Lizenz:
Faksimiles:
646 | 647
Kategorien: