Böser Blick

[252] Böser Blick (böses Auge), die gewissen Personen angeblich innewohnende Zauberkraft, durch neidische oder übelwollende Blicke (oder auch durch damit verbundene Worte, s. Berufen) andre Personen oder fremdes Eigentum zu behexen und ihnen dadurch zu schaden (in Bayern verneiden, in Böhmen übersehen, in Norddeutschland verscheinen). Bei den Alten faßte man diese Bezauberung mit dem Berufen als baskania, fascinatio zusammen, und die Telchinen, Illyrier, Triballer waren wegen des bösen Blickes berüchtigt; die betreffen den Personen sollten sich (nach Plinius) durch doppelten Augenstern auszeichnen. Noch jetzt glaubt man in Italien, bei den Albanesen und Neugriechen, in Irland, Rußland, Polen und Rumänien sehr allgemein an den bösen Blick. In Neapel nennt man die betreffende Person Jettatore (richtiger Gettatore) und die Bezauberung selbst Jettatura, Ausdrücke, die sich auch in andre Sprachen verbreitet haben. Die Alten suchten sich durch Amulette, Formeln, Handlungen (Ausspucken) oder Gebärden vor der Macht des »faszinierenden Blickes« zu schätzen. In Italien trägt man ein Amulett in Form eines Hörnchens (Abkömmling des antiken Fascinum) [s.d.], oder man macht, wenn der böse Blick droht, eine entsprechende Handgebärde, indem man, den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger, die Faust der gefürchteten Person entgegenstreckt (far la fica, »die Feige weisen«) oder der gefürchteten Person rasch den Rücken zuwendet. Vgl. O. Jahn in den Berichten der Königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, 1855.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 252.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: