Calciumkarbīd

[697] Calciumkarbīd CaC2 entsteht beim Erhitzen von Kalk mit Kohle durch den elektrischen Flammenbogen. Die dazu benutzten Ofen sind sehr verschieden konstruiert, im allgemeinen demjenigen ähnlich, in dem Aluminium nach dem Héroultschen Verfahren gewonnen wird. Man baut auch hochofenähnliche Öfen für kontinuierlichen Betrieb. Ein Ofen, der sich in Bitterfeld, Neuhausen und Rheinfelden bewährt hat, besitzt einen mit sehr feuerfestem Material ausgekleideten und unten durch eine Kohlenplatte, die als Elektrode funktioniert, abgeschlossenen Trichter. In letzterm sitzt in mäßigem Abstand ein zweiter Trichter, und durch dessen untere Öffnung geht die zweite Elektrode, die aus einem mächtigen Kohlenblock besteht und vom Schmelzgut umgeben ist. Durch den Raum zwischen beiden Trichtern schlägt die Kohlenoxydflamme hinaus, während der weißglühende Teil der Elektroden von der Luft abgeschossen ist. Pictet erhitzt das Gemenge von Kalk und Kohle durch Gebläseflammen auf 2400° und dann weiter durch Elektrizität. Auch hat man Briketts aus einer innigen Mischung von Kalk und Kohle in einen von Feuerungszügen umgebenen, bis zur Weißglut erhitzten Schamottekanal geführt und dann zwischen Kohlenelektroden zusammengeschmolzen. Das entwickelte Kohlenoxyd wird abgeleitet und zur Heizung benutzt. Ob Gleichstrom oder Wechselstrom zur Verwendung kommt, ist gleichgültig, da es sich nicht um Elektrolyse, sondern lediglich um Erzeugung sehr hoher Temperatur handelt. C. bildet farblose Kristalle, das technische Produkt ist kristallinisch, hart, braunrot, undurchsichtig, vom spez. Gew. 2,3, unlöslich in allen gewöhnlichen Lösungsmitteln und verbrennt beim Erhitzen in Sauerstoff unter starker Lichtentwickelung zu kohlensaurem Kalk. Mit Chlor gibt C. bei 245° Kohle und Calciumchlorid; in trocknem Cholwasserstoff verbrennt es unter Entwickelung von Wasserstoff, mit Schwefel bildet es bei 500° unter Erglühen Schwefelcalcium und Schwefelkohlenstoff und mit Phosphor Phosphorcalcium. Bei höherer Temperatur als Rotglut verbindet sich C. mit Eisen, während die meisten übrigen Metalle ohne Einwirkung sind. An feuchter Luft zersetzt sich C. unter Veränderung der Farbe und Entwickelung penetranten Knoblauchgeruches. Beim Übergießen mit Wasser entwickelt es stürmisch Acetylen nach der Gleichung CaC2 + 2H2O = C2H2 + Ca(OH)2. Bei nicht zu hoher Temperatur und bei Gegenwart von Wasserdampf bildet es mit Stickstoff Cyanmetall. C. reduziert die meisten Metalloxyde unter Bildung von Calciumlegierungen. Beim Erhitzen von C. mit Magnesium an der Luft entstehen Calciumoxyd, Kohlensäure und Stickstoffmagnesium; der Rückstand entwickelt beim Übergießen mit Wasser Ammoniak. Ähnlich verhalten sich Zink, Eisen, Kupfer. C. dient hauptsächlich zur Darstellung von Acetylen, auch ist es zur Reduktion von Metallverbindungen und zur Metallraffination empfohlen worden. Es wurde zuerst 1862 von Wöhler dargestellt, Böhm meldete 1891 das erste Patent auf Herstellung von C. durch Elektrizität an. Vgl. Ahrens, Die Metallkarbide und ihre Verwendung (Stuttg. 1896); Panaotovié, Das C. und Acetylen (Leipz. 1897); Pellissier, Praktisches Handbuch der Acetylenbeleuchtung und Calciumkarbidfabrikation (Berl. 1897); de Perródit, Le carbure de calcium et l'acétylène (Par. 1897); Liebetanz, C. und Acetylen, ihr Wesen etc. (Leipz. 1897); »Zeitschrift für Calciumkarbidfabrikation und Acetylenbeleuchtung« (Berl. seit 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 697.
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