Giesebrecht

[831] Giesebrecht, 1) Ludwig, Dichter und Schulmann, geb. 5. Juli 1792 zu Mirow in Mecklenburg-Strelitz, gest. 18. März 1873 in Jasenitz bei Stettin, nahm im mecklenburgischen Husarenregiment 1813 bis 1815 teil an den Befreiungskriegen und war seit 1816 als Professor am Gymnasium zu Stettin tätig. 1848 vertrat er Stettin in der Frankfurter Nationalversammlung. Eine Sammlung seiner »Gedichte«, worin auch viele dialektische, erschien zu Leipzig 1836 (2. Ausg., Stett. 1867, 2 Bde.), eine Auswahl zu Stettin 1885. Außerdem veröffentlichte er: »Wendische Geschichten« (Berl. 1843, 3 Bde.), die Zeitschrift »Damaris« (Stett. 1860–65, 5 Bde.) u. a. Vgl. Kern, Ludwig G. als Dichter, Gelehrter und Schulmann (Stett. 1875).

2) Wilhelm von, deutscher Geschichtschreiber, Neffe des vorigen, geb. 5. März 1814 in Berlin, gest. 17. Dez. 1889 in München, studierte anfangs Philologie, dann unter Ranke Geschichte und lieferte zu den von Rankes Historischer Gesellschaft herausgegebenen »Jahrbüchern der Geschichte Deutschlands unter den sächsischen Kaisern« die »Geschichte Ottos II.« Seine erste selbständige Arbeit war die Wiederherstellung der damals verlornen, aber in vielen Stellen der übrigen mittelalterlichen Geschichtschreiber bruchstückweise vorhandenen »Jahrbücher des Klosters Altaich« (»Annales Altahenses«). Die Wiederauffindung der Annalen 1870 in dem Nachlaß Aventins durch Freiherrn E. v. Öfele (»Monumenta Germaniae, Script.«, XX, 772ff.; übersetzt von Weiland, Berl. 1871) bestätigte Giesebrechts Rekonstruktion. Als Früchte eines längern Aufenthalts in Italien erschienen die Abhandlung »De litterarum studiis apud Italos primis medii aevi saeculis« (Berl. 1845) und mehrere Aufsätze über die Echtheit und Glaubwürdigkeit der mittelalterlichen Lebensbeschreibungen der Päpste. Er übersetzte 1851 die fränkische Geschichte des Bischofs Gregor von Tours (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.), und 1855 erschien der 1. Band seines Hauptwerkes, der »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« (Braunschw. 1855ff.; Bd. 1–3, 5. Aufl., Leipz. 1881–90; Bd. 4, 2. Aufl., Braunschw. 1877; Bd. 5, 2. Aufl., Leipz. 1888; Bd. 6, das. 1895), die bis in die letzten Zeiten Kaiser Friedrichs I. geführt ist. Er fand durch patriotischen Schwung und glänzende Darstellung wie durch gründliche Forschung allgemeinen Beifall; der letztere Vorzug ist in hohem Maß auch den spätern Bänden geblieben, in denen jedoch die Darstellung sich mitunter zu sehr ins Einzelne vertieft und der Mangel einer scharfen politischen Auffassung sich bemerkbar macht. G., bis dahin Oberlehrer am Joachimsthaler Gymnasium zu Berlin, wurde 1857 als ordentlicher Professor der Geschichte nach Königsberg berufen und erhielt den zur Jubelfeier des Verduner Vertrags gestifteten Preis, folgte 1862 nach Sybels Abgang einem Ruf als Professor der Geschichte nach München und wurde dort zum beständigen Sekretär der Historischen Kommission ernannt und durch Verleihung des Ordens der bayrischen Krone 1865 geadelt. Noch erschienen von ihm eine Sammlung akademischer Festreden u. d. T.: »Deutsche Reden« (Leipz. 1871) und ein Vortrag über »Arnold von Brescia« (Münch. 1873). Vgl. Riezler, Gedächtnisrede auf Wilhelm v. G. (Münch. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 831.
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