Lykúrgos [2]

[898] Lykúrgos, 1) der berühmte Gesetzgeber Spartas, dessen Ordnungen es seine geschichtliche Größe zuschrieb. Die Überlieferung über die Zeit seines Lebens und seine gesetzgeberische Tätigkeit ist freilich so schwankend, seine als göttliches Wesen in einem besondern Heiligtum verehrte Gestalt so mit Legenden und symbolischen Ausschmückungen umwoben, daß man sogar die geschichtliche Persönlichkeit des L. hat leugnen und ihn für einen heroisierten Apollon erklären wollen. In Sparta erzählte man sich, daß er auf einer Reise nach Kreta die dortigen politischen Einrichtungen erforscht und in höherm Alter als Vormund eines minderjährigen Königs (Labotes aus dem Stamme der Agiaden) den Staat geordnet habe. Als sein Hauptverdienst galt, zwischen den verschiedenen Parteien, deren erbitterter Streit den Staat zerrüttet hatte, den beiden Königsfamilien, den Doriern und den alten achäischen Einwohnern, eine Aussöhnung vermittelt und ein nach beiden Seiten vorteilhaftes Vertragsverhältnis hergestellt zu haben. Welche von den später auf ihn zurückgeführten Gesetzen und Anordnungen wirklich von ihm herrühren, darüber gehen die Nachrichten des Altertums auseinander; viele sind erweislich spätern Ursprungs. Über sein späteres Leben lautete die Fabel, daß er, um seiner Verfassung dauernde Geltung zu verschaffen, vorgab, den Rat des delphischen Orakels einholen zu müssen, mit dem er auch sonst in enger Verbindung gestanden habe, und die Könige, die Geronten und die übrigen Spartiaten schwören ließ, an der neuen Verfassung bis zu seiner Rückkehr nichts ändern zu wollen. Von der Pythia habe er den Bescheid erhalten, daß Sparta, wenn es bei den von ihm getroffenen Einrichtungen beharre, groß und glücklich werden würde, und, um seine Landsleute nicht von ihrem Eid zu lösen, seinem Leben durch freiwilligen Hungertod ein Ende gemacht. Die Zeit seiner Gesetzgebung wurde von spätern griechischen Chronographen auf das 'Jahr 884 berechnet. Vgl. Lachmann, Spartanische Staatsverfassung (Bresl. 1836); Trieber, Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte (Berl. 1871); G. Gilbert, Studien zur altspartanischen Geschichte (Götting. 1872); E. Meyer, Forschungen zur alten Geschichte, Bd. 1, S. 211 ff. (Halle 1892); G. Attinger, Essai sur Lycurgue et ses institutions (Neuchâtel 1892).

2) Einer der zehn »attischen Redner« (s. d.), um 396–325 v. Chr., aus Athen gebürtig, Schüler des Platon und des Isokrates, neben Demosthenes und Hypereides einer der eifrigsten Vertreter der patriotischen Partei. Den Glanzpunkt seiner politischen Tätigkeit bildet seine ausgezeichnete Finanzverwaltung von 338–326. Das Ehrendekret, das die Athener 307 seinem Andenken weihten, ist noch erhalten, zum Teil im inschriftlichen Original. Von seinen 15 Reden hat sich nur die weniger durch Kunst als ernste Kraft und sorgfältige Durcharbeitung ausgezeichnete gegen Leokrates erhalten. Ausgaben (außer in den Sammlungen der Redner) von Nicolai (2. Aufl., Berl. 1885), Rehdantz (Leipz. 1876), Thalheim (Berl. 1880), Blast (Leipz. 1899); Übersetzungen von Teuffel (Stuttg. 1865), Holzer (2. Aufl., das. 1883), Bender (das. 1870). Vgl. Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. 3, Abt. 2 (2. Aufl., Leipz. 1898); Dürrbach, L'orateur Lycurgue (Par. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 898.
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