Quietismus

[523] Quietismus (lat. von quies, »Ruhe«) ist im philosophischen Sinne der höchste Grad der Beschaulichkeit, der völlige Verzicht auf die tätige Teilnahme am Leben, der in gewissen orientalischen Religionen (Buddhismus) und in der Philosophie Schopenhauers als Ideal verkündet wird. Vgl. Apathie. Im theologischen Sinn eine schon durch die heil. Therese (s. d.) auf spanischem, durch Franz von Sales (s. Sales) auf französischem Boden vorbereitete, endlich von dem spanischen Weltpriester Mig. Molinos (s. d.) systematisch ausgebildete mystisch-religiöse Richtung, die es im Gegensatz zu den äußerlichen Andachtsübungen der Jesuiten und Dominikaner abgesehen hatte auf ein Versenken des Geistes in schweigendes Gebet, eine vollkommen passive Ruhe der Seele, in der sie sich ganz dem göttlichen Wirken in ihr überlasse. Molinos' Schrift (»Guida spirituale«, 1675), in mehrere Sprachen übersetzt, veranlaßte eine Menge Erbauungsschriften in gleichem Geist; am Hofe Ludwigs XIV. fand der Q. eine Pflegerin in der Frau v. Guyon (s. d.) und einen zeitweiligen Fürsprecher an Fénelon (s. d.) in seiner »Explication des maximes des Saints sur la vie intérieure« (1697); Bossuet (s. d.) erwirkte 1699 ein päpstliches Breve, darin 23 Sätze aus Fénelons Buch als irrig verdammt wurden. Fénelon unterwarf sich, und der Q. kam in Vergessenheit. Vgl. Heppe, Geschichte der quietistischen Mystik in der katholischen Kirche (Berl. 1875); Denis, Quietisme. Querelle de Bossuet et de Fénelon (Caen 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 523.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: