Reinigungen

[761] Reinigungen, religiöse Handlungen, die bei den Völkern des Altertums, namentlich bei den Hebräern und Ägyptern sowie bei den Griechen und Römern auf verschiedene Weise vollzogen zu werden pflegten. Gegenstände der Reinigung waren Menschen, Tiere, Gebäude, Tempel, öffentliche Plätze- etc., Reinigungsmittel neben Gebeten vornehmlich das Wasser, außerdem das Feuer und das Blut der Opfertiere. Eine wichtige Stelle nahmen die R. besonders auch in den Mysterien ein. Städte, Tempel, Plätze und andre öffentliche Orte mußten der Reinigung unterworfen werden, sobald sie durch Handlungen der Menschen, unreine Tiere etc. verunreinigt worden waren. Menschen aber lag dann insbes. die Reinigung ob, wenn sie mit unreinen Gegenständen, vorzugsweise mit Leichen, in Berührung gekommen waren. Dann wurden auch Verbrechen, namentlich der Mord, mit Opferblut und Wasser, besonders Salzwasser, getilgt und gesühnt. Eine reinigende Wirkung für den Staat schrieb man bei den Griechen auch der Vollstreckung des Todesurteils an Verbrechern zu. Der Mosaismus, der neben der sittlichen Reinheit auch die physische des Menschen bezweckte, enthielt viele Reinigungsvorschriften, die während der Dauer des Opferkultus sowie im 1. und 2. Jahrh. n. Chr. streng befolgt wurden. Vorheriges Waschen und Baden war für das Betreten des Gotteshauses allen, besonders aber den Priestern, vorgeschrieben. Die Unreinheit wurde verursacht: 1) durch das Berühren von Leichen, unreinem Getier (scherez), dann durch einen Unreinen, der Gegenstände oder Menschen anfaßte; 2) durch den Aussatz an Menschen, Kleidern und Häusern; 3) durch Ausflüsse (Pollutionen, Koitus, Menstrualblut, Wochenfluß u. dgl.). Je nache der Schwere der Verunreinigung richtete sich Grad und Dauer der Unreinheit. Der Unreine durfte weder opfern und Opferteile essen, noch den Tempel betreten. Die Reinigung wurde bei der Totenverunreinigung durch Besprengen mit dem Entsündigungswasser auf den Unreinen, den Raum und das Bett, in dem der Tote gelegen, am 3. und 7. Tage vorgenommen. Bad und Kleiderwäsche bildeten hier und bei den unter 2) genannten Unreinheiten den Schluß des Reinigungsaktes. Zur Zeit des zweiten jüdischen Staatslebens bildeten die höhern Reinheitsgesetze einen integrierenden Teil der Vorschriften des Chaberbundes, in dem nach dieser Richtung hin sich besonders die Pharisäer hervortaten. Auch die Essäer zeichneten sich durch fleißiges Waschen und Baden aus. Mischna und Talmud geben die nähern Bestimmungen der mosaischen Reinigungsgesetze, die noch heute in Kraft sind.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 761.
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