Seeamt

[247] Seeamt, Behörde, die auf Grund des deutschen Reichsgesetzes vom 27. Juli 1877 mit der Untersuchung von Seeunfällen der Kauffahrteischiffe betraut ist. Die Seeämter sind Landesbehörden, jedoch werden ihre Bezirke durch den Bundesrat abgegrenzt, und sie stehen unter der Oberaufsicht des Reiches. Der Vorsitzende muß die Fähigkeit zum Richteramt haben; er wird für die Dauer seines etwaigen Hauptamtes oder auf Lebenszeit ernannt. Die vier Beisitzer beruft für jeden einzelnen Fall der Vorsitzende nach einer alljährlich aufgestellten Liste der hierzu geeigneten Personen. Das S. ist zur Einleitung einer Untersuchung nur dann verpflichtet, wenn bei dem Seeunfall Menschenleben verloren gegangen sind, wenn ein Schiff gesunken oder aufgegeben ist, oder wenn der Reichskanzler die Untersuchung anordnet. Außerdem ist dem Vorsitzenden des Seeamtes das Einschreiten überlassen. Bei jedem S. ist vom Reichskanzler ein Kommissar bestellt, der den Verhandlungen beizuwohnen, Anträge zu stellen und die Anordnung einer Untersuchung beim Reichskanzler zu beantragen befugt ist, falls der Vorsitzende des Seeamtes die Einleitung der Untersuchung verweigert. Das Verfahren ist öffentlich und mündlich. Es sollen die Ursachen des Seeunfalls sowie alle mit demselben zusammenhängenden Tatumstände ermittelt werden. Insbesondere ist festzustellen, ob Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder des Steuermanns und (nach dem Reichsgesetz vom 11. Juni 1878) auch des Maschinisten die Schuld tragen. Ist dies der Fall, so kann auf Antrag des Reichskommissars dem Schuldigen die Befugnis zur Ausübung seines Gewerbes abgesprochen werden. Die entzogene Befugnis kann dem Schiffer, Steuermann oder Maschinisten nach Ablauf eines Jahres vom Reichsamt des Innern wieder verliehen werden. Sowohl dem Verurteilten als auch bei Freisprechung dem Reichskommissar steht das Recht der Beschwerde an das Oberseeamt in Berlin zu. Dies ist eine Reichsbehörde, deren rechtskundiger Vorsitzender vom Kaiser ernannt wird. Von den sechs Beisitzern müssen wenigstens drei der Schiffahrt kundig sein. Ein ständiger schiffahrtskundiger Beisitzer wird vom Kaiser ernannt, die andern fünf werden vom Vorsitzenden für jeden Beschwerdefall berufen, und zwar auf Grund einer Liste sachkundiger Personen, von denen jeder Seestaat des Reiches je auf drei Jahre vorschlägt. Seeämter bestehen in Bremerhaven, Brake, Danzig, Emden, Flensburg, Hamburg, Königsberg, Lübeck, Rostock, Stettin, Stralsund und Tönning.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 247.
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